„Loot Shooter sind das Videospiel-Äquivalent von Pizza“. Diesen Satz habe ich vor kurzem irgendwo gelesen. Trotzdem fand ich sie zwar ansprechend zum zuschauen, zum selbst spielen hat mich allerdings keines animiert. Laufe hierhin, töte ein paar böse Jungs oder Mädels, mach dies, mach das, laufe weiter, und irgendwann ist es dann zu Ende. Oder es geht in eine Endlosschleife. Da ist es umso verwunderlicher, daß mich The Division 2 direkt angesprochen hat, ohne wirklich zu wissen warum.

The Division 2 spielt in einem modernen postapokalyptischen Washington D.C, das von einer Epidemie heimgesucht wurde. Ein Virus mit dem Namen „Dollar-Grippe“ wurde während des Black Friday 2015 durch verseuchte Geldscheine übertragen und brachte die Vereinigten Staaten in die Knie. Der Spieler übernimmt die Rolle eines Mitglieds von „The Division“, einer Schläferzelle von Spezialagenten, die nach der Katastrophe die Ordnung wiederherstellen sollen.

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Sieben Monate sind nach den Ereignissen von The Division, dem Vorgänger, vergangen und der Schauplatz hat sich vom verschneiten Brooklyn zu einer eher sommerlichen Version von Washington D.C. gewandelt. Die trostlose Landschaft des ersten Spiels sah zwar cool aus, wurde aber recht schnell langweilig. Zum Glück bringt The Division 2 hier eine enorme Verbesserung.

Die Vielfalt der Umgebungen und die mannigfachen Wettereffekte in The Division 2 ist einer der ansprechendsten Punkte des Spiels. Jede Mission führt Sie in neue Gebäude, Keller, Tiefgaragen, und alle sindwunderschön und einzigartig kreiert. Besonders die öffentlichen Gebäude, die akribisch den Vorlagen der Originalschauplätze nachempfunden sind, lassen den Spieler oft innehalten und staunen. Besonders die Exponate in den verschiedenen Museen Washingtons laden zum virtuellen Sightseeing ein. Auf diese Weise gibt es in der Stadt immer wieder neue Ecken zu entdecken und zu bestaunen

Es sind aber nicht nur die Umgebungen, die in der Fortsetzung abwechslungsreicher sind, es gibt auch viel mehr zu tun. Die offene Welt des Originalspiels hatte einige Dinge zu sammeln und eine Menge herumstreunender Feinde, aber nicht viel mehr. Die Division 2 ist vollgepackt mit kleinen Nebenereignissen und anderen Aktivitäten, die den Spieler ständig beschäftigt halten. An fast jeder Straßenecke gibt es etwas zu tun, und das neue Siedlungssystem macht diese Aktivitäten wichtig. Es kommt schnell das altbekannte Civilization-Feeling auf: Nur noch eine Runde, nur noch eine Mission.

Die obligatorische Operationsbasis, in der man seinen Agenten oder seine Agentin aufrüsten und neue Ausrüstung kaufen kann ist diesmal das Weiße Haus. Division 2 führt auch eine Reihe von Siedlungen ein, einschließlich der Notwendigkeit, diese durch Materialspenden und spezielle Missionen auszubauen. Kontrollpunkte, die erst erobert werden müssen und die im Endgame auch wieder verloren werden können sorgen für die notwendige Dynamik auf der Karte, und Safe Houses bieten die Gelegenheit zum Schnellreisen zwischen den Knotenpunkten. Diese zusätzlichen Stützpunkte sind auch die Drehscheiben für das „Alltagsgeschäft“. Sie bieten neue Quests und Dienste, wie z.B einen Schießstand, auf dem man akribisch neue Waffen auf ihre Wirksamkeit und Effizienz testen kann, natürlich erst, nachdem man sie freigespielt hat.

Das wirklich aufregende an den Siedlungen aber ist, wie schon angedeutet, dass Ihr Fortschritt deutlich spürbar ist. Durch den Abschluss von Missionen und Siedlungsprojekten, indem Sie ihnen Vorräte und Aktivitäten zur Verfügung stellen, werden die Siedlungen mit neuen Anlagen aufgewertet und ziehen zusätzliche Zivilisten an. Das gibt dem Spieler das Gefühl, durch seine Aktionen tatsächlich Veränderungen zu bewirken, was ein Gefühl der Zufriedenheit und Verbundenheit erweckt. Es ist nicht das aufwändigste System aller Zeiten, aber es ist cool, wenn sich die Aktionen des Spielers in der Umgebung des Spiels widerspiegeln.

Das Kampfsystem fühlt sich für meinen Geschmack ausgezeichnet an. Man muß vorsichtig und mit Bedacht vorgehen, sich die Umgebung vor und während des Kampfes ganz genau anschauen und sich eventuelle Rückzugswege überlegen, bevor man einen Kampf startet. Die ausgezeichnete KI schickt nicht einfach nur stumpfsinnig Gegnerwellen ins Gefecht, sondern handelt taktisch und versucht, den Spieler zu flankieren und unter Druck zu setzen. Die Gegner positionieren sich ziemlich geschickt und decken sich gegenseitig. Wenn man hier nicht aufpasst, hat man ganz schnell einen Gegner im Rücken, der einem den Garaus macht. In den Foren beschweren sich einige Spieler, es sei zu schwer, was ich aber keineswegs so unterschreiben kann.

Auch das Beutesystem ist interessant und abwechslungsreich gemacht, auch wenn der Spieler förmlich mit Loot überschüttet wird. Doch durch das abwechslungsreiche Verhalten der Waffen kann man seinen individuell bevorzugten Spielstil sehr gut ausleben, der durch verschiedene technische Gadgets (Drohnen, automatische Geschütztürmchen, Granatwerfer und mehr) noch weiter unterstützt wird. Es existieren zwar, wie in jedem neuen Spiel, ein paar Bugs, aber die Entwickler arbeiten emsig daran, diese auszumerzen.

Egal ob im Soloplayer oder Multiplayer, alles fühlt sich ausbalanciert und stimmig an. Vorausgesetzt man rennt nicht braindead in jede Gegnergruppe, ohne sich vorher zu vergewissern, ob nicht gerade eine Patrouille um die Ecke kommt.

Ein Wermutstropfen ist lediglich, daß Ubisoft ausgesprochen Angst hat, irgendeine Art politischer Botschaften in ein Spiel aufzunehmen, das im politischen Epizentrum der westlichen Welt spielt, was zu einigen wirklich unbeholfenen Situationen führt. Auf diese Weise fehlt es der Story an manchen Stellen etwas an Tiefe. Das Problem der Politisierung war schon im Vorfeld absehbar und wird auf etlichen Seiten kontrovers bis aufgeregt diskutiert.

Zum Beispiel ist eines der ersten Sammlerstücke, das im Spiel zu finden sind, ein aufgezeichnetes Gespräch zwischen dem US-Präsidenten und seinem mexikanischen Amtskollegen. Sie diskutieren den Strom von US-Flüchtlingen, die versuchen über die südliche Grenze fliehen und die mangelnde Bereitschaft Mexikos, sich damit auseinanderzusetzen. Das Intro des Spiels erwähnt bereits, dass Nicht-Waffenbesitzer eher während und nach der Epidemie ums Leben kamen. Die Diskrepanz zwischen diesen politisch sehr aufgeladenen Botschaften und der Unwilligkeit des Spiels, sich damit angemessen auseinanderzusetzen, ist stellenweise erschütternd. Ja, das Spiel hätte mit seiner Geschichte viel mehr erreichen können, vor allem in Anbetracht der Stadt, in der es stattfindet, aber es macht trotzdem viel Spaß.

Es gibt Stunden und Stunden an einzigartigen Sachen zu tun, der Endgame-Inhalt scheint riesig und Ubisoft versprach bereits eine ganze Reihe von Ergänzungen nach der Veröffentlichung. Ich für meinen Teil kann es kaum erwarten zu sehen, was mich heute Abend in Washington D.C. erwartet und was in zukünftigen Inhalten noch alles hinzugefügt wird. The Division 2 ist dadurch ganz sicher eine Bereicherung in der Welt der Loot Shooter, den ich auf jeden Fall eine ganze Weile spielen werde.

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