Back to the Roots?

Nachdem wir uns auf dem PC schon ein Jahr lang in Leuchtdorf austoben dürfen, sind nun auch endlich die Special-Editions für PS4 und Nintendo Switch erhältlich. In Harvest Moon – Licht der Hoffnung kehren wir als Farmer in die allseits bekannte Landwirtsimulation zurück. Dabei  setzt der neueste Streich „Licht der Hoffnung“ endlich wieder auf altbewährte Features. Ob das ausreicht, um die Stardew-Valley-verwöhnten Fans zufrieden zu stellen, muss sich allerdings noch zeigen.

Blinded by the Light

Als Schiffsbrüchiger, wahlweise männlich oder weiblich, stranden wir in der Hafenstadt Leuchtdorf, in der uns eine Frau namens Holly gesund pflegt. Schnell entschließen wir hierzubleiben und Holly zu helfen, deren Ziel es ist, das immens verwitterte Dorf wieder aufzubauen. Nach einem heftigen Sturm wurde dieses nämlich ziemlich zerlegt und die Bewohner sind bis auf ein paar wenige geflüchtet. Schuld an der Zerstörung der Stadt soll der mysteriöse Leuchtturm sein, der schon lange sein Licht verloren hat. Wird dieses wiederhergestellt, so soll auch die Stadt in neuem Glanz erstrahlen – so zumindest die Theorie.

Leichter gesagt als getan, denn um das Chaos zu beseitigen benötigen wir einerseits die passenden Materialien, andererseits das nötige Kleingeld. Mit eigens angebautem Kohl halten wir uns erst mal selbst über Wasser und versuchen erste Werkzeuge aufzutreiben. Hinder dem Aufbau steckt dabei ein ausgeklügeltes, linear verlaufendes Questsystem. Wir wollen ein Haus renovieren – dafür benötigen wir Holz – wir müssen eine Axt auftreiben, um Holz zu hacken – dazu müssen wir jemanden finden, der eine Axt besitzt – davor müssen wir für diese Person aber X andere Quests erledigen, damit wir die Axt bekommen – und so weiter und so fort. Diese Aufgaben können sich in Harvest Moon – Licht der Hoffnungschon ziemlich in die Länge ziehen. Alles in allem wäre das gar nicht so schlimm, wäre da nicht die fatale Tatsache, dass viele Früchte oder Blumen die wir benötigen, nur in einer bestimmten Jahreszeit wachsen. Haben wir keinen guten Dünger zur Hand kann es schon mal vorkommen, dass wir mehrere Jahreszeiten (Frühling, Sommer, Herbst und Winter, wie gewohnt jeweils 30 Tage) warten müssen, damit wir eine Quest weiter bearbeiten können. Dies ist gerade bei der Hauptgeschichte immer wieder nervig. Auch deshalb, weil Dorfbewohner aus unbekannten Gründen dann beispielsweise Stalker-mäßig ein Jahr vor unserem Haus campieren, bis wir ihnen endlich die gewünschten Materialien überreichen – verstörend.

Hast du mal kurz Zeit?

Neben der Hauptquest flattern dann auch noch gefühlt tausende Anfragen unserer neuen Freunde ins Haus, die uns ein ums andere Mal nötigen, ihnen seltene Gegenstände zu besorgen. Dafür bekommen wir im Gegenzug aber auch Geld oder mal mehr, mal weniger seltene Materialen überreicht.

Der eigentliche Sinn des Spieles, nämlich das landwirtschaftliche Arbeiten, wird mehr oder weniger nur durch diese Nebenmissionen am Leben gehalten. Die Inflation hat bei Harvest Moon nämlich vor allem den Feldertrag sowie die tierischen Produkte hart getroffen. Sogar die allerbesten, hochwertigsten auf unserem Hof produzierten Waren erzielen bei Händlern nur Spottpreise. Dabei können Feldfrüchte nun sogar „mutieren“, also zu einer anderen Sorte heranwachsen, wenn sie bestimmten Bedingungen ausgesetzt sind. Aber wer hat schon Lust sich intensiv mit der Züchtung von Pflanzen zu beschäftigen, wenn diese weder benötigt noch wertgeschätzt werden?

Fatal ins Gewicht fällt dazu noch, dass die Nutztiere, die da wären, Kuh, Schaf und Langhaaresel, ungeheuer teuer in der Anschaffung sind. Von Tierfutter und Medizin wollen wir gar nicht erst anfangen. Außerdem werden uns beim Kauf nur Tierkinder geliefert, heißt also sehr lange Zeit viel Arbeit, viel Geld für null Ertrag, null Umsatz. Da hilft nur eins: ab in die Mine! Die ist beim neuesten Titel nämlich wie bereits in früheren Teilen wieder voll mit seltenen Mineralien, die wir mit dem Hammer aus Erzadern herausschlagen. Außerdem dürfen wir uns wieder durch zahlreiche Ebenen so weit es geht nach unten graben.

Damit wir dem rauen Alltag etwas länger standhalten, empfiehlt es sich außerdem regelmäßig zu kochen. Am besten selbst gefangene Fische, die bei Verzehr viele Herzchen wieder auffüllen. Ansonsten kann es sein, dass unser Bauer vor Erschöpfung umkippt und den gesamten nächsten Tag mit Übermüdung zu kämpfen hat.

Rubbel die Katz!

Damit unsere Tiere möglichst gute Produkte erzeugen, müssen wir sie natürlich wieder hegen und pflegen. Neben dem alltäglichen Futter möchten sie auch gestreichelt, gebürstet und je nach Tier gemolken, geschoren oder hochgehoben werden. Neben den Nutztieren können wir außerdem ein Pferd kaufen, welches wir fortan zur schnelleren Fortbewegung nutzen.

Genau wie die tierischen Beziehungen, gilt es auch die menschlichen zu pflegen. Der Freundschaftsgrad der jeweiligen Person wird durch mehrere Musiknoten angezeigt. Je mehr Musiknoten ausgefüllt sind, desto besser kann der Betroffene uns leiden. Um die Freundschaften zu verbessern, ist es wichtig regelmäßig zu tratschen und Aufgaben für die Bewohner zu erfüllen. Je nach unserem Geschlecht stehen natürlich auch wieder passende Heiratskandidaten zur Verfügung, die es zu umwerben und schließlich zu ehelichen gilt. Auch Kinder kriegen ist zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Eingestreute Feiertage, auf denen wir unsere Angebeteten zu Dates einladen können sowie reichliches Beschenken mit favorisierten Gegenständen tragen zur Beziehungsverbesserung bei. Ab und an schalten wir dann auch ganz klassisch Events frei. Dies gilt nicht nur für potenzielle Heiratswillige, sondern für alle Dorfbewohner. Leider bleiben die Dialoge meist oberflächlich und belanglos, wenn man sie mit einstigen Harvest Moon Urgesteinen vergleicht.

Charakterrecycling auf minimalistischer Spieltapete

Charaktere sind zum Leidwesen aller Spieleveteranen in 3D umgesetzt. Für die heutige Zeit ein sehr marginales, nicht gerade hübsches 3D, sollte ergänzt werden. Die Spielfiguren haben nur wenige, steife Animationen und teilweise so verstörend verzerrte Gesichter, dass man keine Ahnung hat, welches Gefühl nun transportiert werden soll. Die minimalistisch gehaltene Qualität rührt unter anderem daher, dass die Charaktere nicht für Licht der Hoffnung speziell entworfen, sondern aus dem 3DS-Titel „Dorf des Himmelsbaumes“ wiederverwertet wurden. Der Hintergrund ist im Gegensatz zu den Charakteren wieder in plattem 2D dargestellt, was sich zunächst ziemlich  beißt,mit der Zeit gewöhnt man sich jedoch daran. Alles in allem sieht das immer noch besser aus, als die furchtbaren Minecraft-Klötzchen aus dem direkten Vorgänger.

Auch wenn die Hintergrundmusik und die spärlichen Ambientgeräusche nicht allzu schlecht geworden sind, bietet der Titel soundtechnisch doch noch einiges an Luft nach oben. Monotone Melodien laufen in Dauerschleife und an Orten wie beispielsweise der Miene, in der wir den Großteil der Zeit verbringen, wird das doch sehr schnell öde. Dazu kommen die quälend langen Ladezeiten, die uns den Spielspaß bei jedem Ortswechsel verderben wollen.

Wie benutze ich das?

Die Steuerung von Harvest Moon ist hingegen relativ einfach gehalten. Das Spiel wählt automatisch das benötigte Werkzeug aus und wir müssen lediglich die Aktionstaste drücken, um es zu benutzen. Bei aufgewerteten Werkzeugen lassen wir die Aktionstaste etwas länger gedrückt, um eine größere Fläche zu bearbeiten. Einzig bei der Gießkanne kann das ein bisschen stören, da wir den Boden erst bewässern können, nachdem wir Früchte abgeerntet oder Samen gesät haben und so teils unschöne „Gießmuster“ entstehen, wenn wir uns nicht an die vorgegebene Reihenfolge Pflügen -> Säen/Ernten -> Gießenhalten. Was auch etwas nervt, ist die Tatsache, dass unerwünschtes Unkraut, Steine und Baumsetzlinge extrem schnell Nachwachsen. Ein bisschen Zeitpuffer wäre freundlich gewesen, so sind wir nämlich ziemlich oft mit der Feldpflege beschäftigt. Dadurch geht unsere sowieso schon knapp bemessene Gesundheitsanzeige noch schneller in den Keller.

Benötigen wir bei unserer Arbeit Hilfe, so kann uns jetzt ein Freund per Koop-Modus aushelfen. Dieser übernimmt dann die Kontrolle über „Soleil“, einem Steinwichtel, der sich bei uns einquartiert hat. Die Koop-Funktionen sind jedoch marginal, auf lange Zeit wird kein Freund viel Spaß daran haben, ständig aus dem Bildschirm zu uns teleportiert zu werden und so immens abhängig von uns zu sein. Außerdem währt die Hilfe im Spielgeschehen auch nicht ewig, denn für Soleils Ausdauer müssen wir mit hochwertigen Edelsteinen bezahlen. Ist sie aufgebraucht, kann sie an diesem Tag auch nicht mehr nachgefüllt werden. Den Titel als Koop-Spiel zu bezeichnen, ginge also definitiv zu weit.

Fazit:

Wer sind wir?!?

  • Harvest-Moon-Fans!

Was Wollen wir?!?

  • Ein Harvest Moon, wie es früher war!

Wann wollen wir es?!?

  • Seit 10 Jahren!

Aber jetzt mal ernsthaft. Harvest Moon hat sich zu meinem Leidwesen mit den Jahren immer weiter von seinen Wurzeln entfernt, damit scheint jetzt endlich Schluss zu sein. Zwar bietet „Harvest Moon – Licht der Hoffnung“ den Fans immer noch nicht das, was sie eigentlich wollen, ABER (!) ich persönlich sehe einen großen Schritt in die richtige Richtung. Ich hatte durchaus wieder Spaß mit dem Titel. Die Mine – super, endlich wieder eine richtige Mine, in der man schön buddeln kann. Aber traut euch was Natsume, seid ein bisschen gemein, baut wieder Löcher ein durch die wir zehn Ebenen in die Tiefe stürzen. Beschwört Stürme, bei denen wir nicht aus dem Haus können und Angst um unsere Ernte haben müssen. Macht die Aufzucht der Tiere ruhig etwas schwerer, das ist völlig okay, aber belohnt uns ordentlich für die investierte Zeit in die Aufzucht. Und bitte, steckt wieder mehr Liebe in das Charakterdesign, ganz wichtig. Eventuell ja wieder mit hübschen Spritesheets …? Ich will zerrüttete Familien, Geschwister die sich zoffen und trauernde Witwer, denen ich als Spieler helfen kann. Und … teleportierende Charaktere … ist das euer ernst? Früher wurde der Tagesablauf von knapp 40 Einwohnern mit Laufwegen koordiniert. Inklusive Sonn-, Feiertage und persönlicher Freizeit. Dann wirkt das Ganze auch nicht so leblos und steif. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass da noch mehr geht.

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