Die Fußball Weltmeisterschaft ist vorbei. Aber der Sommer geht noch ein wenig weiter. Mit Le Tour de France 2018 liefert Cyanide die Möglichkeit den Ausgang der nächsten sportlichen Großveranstaltung in die eigene Hand zu nehmen.

Taktischer Tiefgang…

Lange lange ist es her, da bin ich selbst aktiv Radrennen gefahren. Zwar war ich lieber mit dem Mountainbike unterwegs, aber die Tour de France anzuschauen war trotzdem etwas, das ich mir immer noch nicht entgehen lasse. Ein Spiel dazu hatte ich bisher noch nie in der Hand. Ich war also gespannt, wie gut Cyanide den Radrennsport auf Play Station 4, Xbox One und PC transportiert bekommt.

Zu meiner Überraschung, ziemlich gut. Es gilt Geduld zu haben und die Ressourcen richtig einzuteilen. Ihr könnt einen der Fahrer eures Teams direkt steuern, wobei dieser jederzeit gewechselt werden kann. Die anderen sieben Teammitglieder agieren selbstständig. Per Teamfunk gebt ihr ihnen jedoch Anweisungen, währenddessen pausiert die Zeit zum Glück. So könnt ihr euch ganz in Ruhe überlegen, was wer tun soll. Ganz nach euren taktischen Vorstellungen können sie das Feld etwas blockieren, schneller fahren oder andere Befehle befolgen. Jeder Angriff und jede Verfolgung von Ausreißern müsst ihr euch gut überlegen. Es könnte diese Kraft sein, die am Ende fehlt und euch den Sieg kosten kann.

Hört sich alles ganz gut an, klappt in der Praxis aber leider oft nicht. Nicht nur, dass es besonders am Anfang und als Neueinsteiger absolut überwältigend ist, alles unter einen Hut zu bekommen. Manchmal scheinen die Fahrer eure Befehle auch einfach zu ignorieren, oder das System ist nicht besonders gut ausgearbeitet, sodass es gefühlt keinen Unterschied macht, welcher Befehl erteilt wurde.

Ein Beispiel: Ich wollte mit meinem gesamten Team vom Feld ausreißen. Also habe ich den direkt von mir kontrollierten Fahrer an die Spitze des Feldes gesetzt und wollte den anderen sieben durch den Teamfunk sagen, mit meinem mitzuhalten. Komischerweise war diese Option nicht dort wo, sie sein sollte.Sie fehlte schlicht und einfach. Also neue Taktik, alle sollen mit 110% fahren und so vom Feld wegkommen. Hat auch nicht funktioniert, das ganze Feld fuhr automatisch schneller. Gut dann halt anders, alle sollen eine Attacke ausführen. Das klappte auch, bis ihre Energie erschöpft war gaben alle Vollgas. Anstatt sich jetzt jedoch gegenseitig Windschatten zu geben und vorne zu bleiben fuhren sie langsam und wurden vom Feld wieder eingeholt. Als gesamtes Team auszubrechen hat also zumindest bei mir nicht funktioniert.

Das volle Paket

Apropos Teams, mit der original Lizenz kommen auch alle großen Teams und Strecken der Tour. Fahrer wie Chris Froome, Simon Geschke und andere große Namen sehen zwar nicht 100%ig wie ihre realen Vorbilder aus, unter der Ausrüstung fällt das jedoch nicht allzu stark ins Gewicht. Wer will erstellt sich ein eigenes Team und kauft sich Fahrer ein. In der ersten Saison reicht es zwar noch nicht für die erfolgreichen Profis, aber mit dem guten Abschneiden in Rennen füllt sich euer Konto stetig. In der nächsten Saison können dann neue Fahrer angeheuert werden. Oder ihr entschließt euch eure Anfänger immer weiter zu verbessern damit ihr mit ihnen irgendwann einmal alles gewinnt. Rennen für die euere Teamwertung, die durch erfolgreiche Rennteilnahmen steigt, noch nicht ausreicht, könnt ihr in dieser Saison nicht fahren. Sie werden simuliert. Zwar müsst ihr den Fahrern dabei zwar nicht zuschauen, wohl aber der Auswertung jedes einzelnen Rennens. Könnt ihr beispielsweise die Tour de France noch nicht fahren dürft ihr etwa drei Minuten lang auf den Bildschirm starren, der euch mitteilt, wer die Etappe gewonnen und wer das gelbe Trikot übernommen hat. Dasselbe gilt für Rennen, die ihr fahrt. Nach dem Zieleinlauf starrt ihr auf ein Höhenprofil der Strecke, bis es alle Fahrer des Rennens ins Ziel geschafft haben.

Neu ist der Pro Kapitän Modus. Hier erstellt ihr euch im Editor einen eigenen Fahrer. Am Anfang können dessen Werte und Skills zwar noch nicht mit den anderen im Team mithalten, aber trotzdem seid ihr der Kapitän, naja Spiellogik halt, Schwamm drüber. Nach und nach gilt es Ziele zu erfüllen, um euren Fahrer aufzuwerten. Beispielsweise gilt es einen Zwischensprint zu gewinnen, um den Sprintwert zu steigern, oder 100 km zu pushen, damit sich die Ausdauer verbessert. Hört sich zwar gut an, leider belohnt euch das System nur für Erfolge. Verliert ihr den Sprint hauchdünn hinter dem weltbesten Sprinter, aber vor den 170 anderen Fahrern, gibt es nichts. Friss oder stirb heißt es hier.

Nutzt den Windschatten

Zwar sind Landschaften und Städte großteils detailliert und stimmig präsentiert, grafisch reist Le Tour de France dafür keine Bäume aus.Insgesamt sieht alles etwas verwaschen und veraltet aus. Dafür läuft die Simulation aller Radfahrer im Feld und der Zuschauer am Straßenrand jederzeit flüssig.

Musik gibt es nur in den Menüs. Nach spätestens zwei Minuten wünscht man sich aber, dass auch dort von vornherein Ruhe herrschen würde. Der Jingle ist weder besonders stimmig, noch all zu lang, dementsprechend oft wiederholt er sich. Auf der Strecke hingegen lauscht ihr lediglich den Fahrgeräuschen der Räder und jubelnde Zuschauer. Immer wieder meldet sich jedoch ein Kommentator mit unnützen Sprüchen zum Renngeschehen oder der Sportdirektor nervt mit den immer gleichen “Tipps” über Funk. Noch dazu mit welchen, die das Spiel sowieso deutlich visualisiert, wie starkem Gegenwind, während ihr gerade alleine vom Feld ausgerissen seid. Wie soll ich denn bitte alleine den Windschatten nutzen?

Fazit

Man könnte sagen, dass Cyanide mit Le Tour de France das Geschehen eines Straßenradrennens sehr gut eingefangen haben. Alle Lizenzen sind mit an Bord. So kommt wirklich das Gefühl auf, das Schicksal des Lieblingssportlers oder vermeintlichen Dopingsünders in der Hand zu haben. Das Spiel schafft es eine große Traube an Fahrern zu simulieren, die sich den Wettkampf um die begehrten farbigen Trikots liefern. Wie beim echten Vorbild liegt ein großer Fokus auf dem taktieren. Euer Team will richtig geführt, Energie richtig eingeteilt und schlussendlich der Gesamtsieg eingefahren werden. Leider ist auch ein Stück der Langatmigkeit des Vorbilds mit im Spiel. Zwar muss man nicht fünf Stunden auf die Zieleinfahrt warten, dankbarerweise ist die Gesamtlänge im Spiel stark gerafft und zusätzlich kann die Zeit beliebig vorgespult werden, doch wenn nicht viel zu tun ist, können auch fünf Minuten sehr lang sein. Hinzu kommen noch Probleme, dass der gewünschte taktische Tiefgang oft nicht wie gewünscht erreicht werden kann, da Fahrer befehle zu ignorieren scheinen oder das gewünschte keine der verfügbaren Aktionen ist. Insgesamt denke ich, dass man als Hardcore Fan des Sports auch mit dem Spiel durchaus Spaß haben kann, wenn man Geduld mitbringt und seine eigene die taktische Ausrichtung mehr auf das Spiel, wie die eigenen Wünsche anpasst. Jeder, der nicht sowieso im Fernsehen jede Übertragung aus Frankreich verfolgt, wird vermutlich auch nicht auf die Idee kommen sich das Spiel kaufen zu wollen, falls doch, lasst es besser. Ohne Vorkenntnisse ist der Einstieg noch schwerer und damit auch frustrierender.

video
play-rounded-fill

Weitere Beiträge