Als ein lebenslanger eingefleischter Harry Potter-Fan war ich von der Idee von Harry Potter: Hogwarts Mystery begeistert, endlich selbst einmal Hogwarts zu erkunden. Voller Elan erstellte ich mir meine Hexe, bekam meinen Zauberstab von Ollivanders in der Winkelgasse und freute mich darauf in welches Haus mich der sprechende Hut wohl hineinstecken würde. Doch Hogwarts Mystery schien aktiv zu verhindern, dass ich mich amüsierte.

Sprechender Hut: Such dir aus was du willst

Einem Haus beizutreten war, gelinde gesagt, eine Enttäuschung. Es gibt gefühlt bestimmt eine Milliarde Quizze im Internet – und sogar eine offizielle auf Pottermore selbst – die dir sagen können in welches Haus du eingeordnet werden würdest. Und nun kommt endlich ein offizielles Harry Potter Rollenspiel, mit dem du deinen eigenen Charakter erstellen kannst. Und alles was es macht, ist dich einfach nur lapidar zu fragen in welches Haus du möchtest. Ich fühlte mich eines entscheidenden ersten Schrittes im Leben einer jungen Hexe beraubt.

Von nun an nehmen die Dinge ihren Lauf wie man es erwartet. Ich werde zu meiner ersten Klasse geleitet, bei der ich einfach auf markierte Objekte und Personen tippe und über den Bildschirm wische um Zaubersprüche zu wirken. Was zu Beginn noch nicht wirklich stört (da kommt bestimmt noch mehr) wird im Laufe des Spiels zu grausamer Gewissheit: Das ist tatsächlich das ganze Ausmaß des Gameplays in Hogwarts Mystery, welches passender als ein Point-and-Click-Adventure mit vielen schweren Story-Elementen definiert werden könnte.

Aber echte Potter-Fans haben Durchhaltevermögen. Während man sich durch die originelle (und überraschend spannende) Geschichte von Harry Potter: Hogwarts Mystery bewegt, erreicht man immer wieder Momente, in denen man Entscheidungen treffen muß. Diese Entscheidungen beeinflussen sowohl den eigenen Charakter und den eindimensionalen Plot-Gerät-Sidekick, Rowan. Zumindest scheint es so. Genauer betrachtet haben die meisten dieser Entscheidungen keinerlei Einfluß außer anderen Dialogen.

Dialoge, Dialoge, Dialoge

Neben dem Besuch von Hogwarts als neuer Schüler füllst du die Hintergrundgeschichte deines Charakters durch die Dialoge aus. Genauer gesagt gibt es eine ganze Nebenhandlung des verlorenen Bruders, der vorher in Hogwarts war und das gewählte Haus beschämt hat, was eine zusätzliche Schicht familiären Dramas hinzufügt. Es ist eine erfrischende Abwechslung von dem müden „Auserwählten“, den die meisten Harry Potter-Geschichten wählen. Die Originalität der Geschichte, kombiniert mit den kleinen Auswahlmöglichkeiten, die du machen darfst, helfen der Geschichte etwas mehr herauszustechen als der Rest des Spiels. Ein Teil der Zaubererwelt zu werden, deinen Avatar am Unterricht teilnehmen zu sehen und ikonische Orte zu besuchen, während du mit bekannten Gesichtern redest, ist fast genug, um dieses ansonsten glanzlose Abenteuer zu retten. Aber eben nur fast.

Du erhältst außerdem Attribute, die die Entwicklung deiner Hexe oder deines Zauberers im Laufe ihrer Hogwarts-Karriere weiter beeinflussen. Mit Hilfe dieser Attribute kannst du hier und da neue Dialogoptionen freischalten, die deiner sich entwickelnden Persönlichkeit entsprechen. Zum Beispiel musst du Lektionen absolvieren und Aufgaben ausführen, die dir Mutpunkte bringen, um die „mutigen“ Aktionen in Szenen und Dialogen wählen zu können die ansonsten gesperrt sind. Dies könnte dazu führen, dass dein Charakter mutiger wird oder eher auftaucht, was dir mehr Hauspunkte einbringen könnte, um den Hauspokal am Ende des Jahres zu gewinnen. Nichts davon hat wirklich einen bedeutenden Einfluss auf die Geschichte, es fühlt sich eher nach Arbeit an.

Das Reizthema: Die Energie

Nach der ersten halben Stunde des Setups für das, was eine charmante Geschichte sein könnte, wird man mit den ersten echten Aufgaben konfrontiert. Diese können nur gelöst werden indem man Energie ausgibt. Natürlich wird man kaum genug haben, um die Aufgabe zu erfüllen und die Energie füllt sich in Echtzeit in einer quälend langsamen Rate auf. Wenn man dann also in der Situation steckt, in der der Avatar zu Tode gewürgt wird und mit angsterfüllten Augen aus dem Bildschirm blickt, hat man zwei Möglichkeiten. Entweder Edelsteine ​​mit echtem Geld zu kaufen um die Energie wieder aufzufüllen oder die App zu schließen und einige Stunden später, nachdem Sie kostenlos aufgeladen wurden, zurückzukehren. Und es gibt nichts anderes zu tun um die Wartezeit zu überbrücken. Für gewöhnlich ignoriere ich In-App-Käufe in den meisten Spielen, aber ich kann mich nicht erinnern, das ich von einem Spiel aktiv daran gehindert wurde irgendetwas zu tun. Natürlich außer ich bezahle Geld oder höre ganz auf zu spielen. Jedes Mal, wenn ich gezwungen wurde, die App zu schließen und in ein paar Stunden zurück zu kommen, war ich entmutigt, sie überhaupt wieder einzuschalten.

Aber es gibt dabei noch einen weiteren Haken. Wenn man die Frist in Echtzeit verpasst, muss man diese Aufgabe noch einmal beginnen. Die Idee ist, wie bei vielen anderen Apps auch, diese schräge Beziehung mit Ihrem Telefon herzustellen bei der sie immer wieder eine App öffnen um zu prüfen ob es schon soweit ist. Aber es ist unglaublich irritierend, dass es genau absolut nichts gibt was man sonst tun kann während man darauf wartet. Und selbst mit voller Energie „spielt“ man eine Minute, dann ist die Energie wieder leer. Als wäre das noch nicht genug stößt man nachdem man eine Aufgabe erfüllt hat auf die nächste Pay-Wall: Um mit der Story weiter zu machen muß man oft bis zu 8 Stunden warten oder wieder Edelsteine bezahlen. In dieser Zeit kann man wenigstens die für das Weiterkommen benötigten Zauber lernen (Was auch noch lächerlich viel Energie kostet). Man kommt sich nach kurzer Zeit vor als würde man gemolken. Es ist das schlimmste Beispiel für stereotypes, ausbeuterisches Free-to-Play-Spieldesign, das mir in letzter Zeit begegnet ist.

Edelsteine

Die Preise für Edelsteine sind enorm. Man bekommt für 99 cent gerade mal so viel daß man sich dafür 10 Energie eintauschen könnte. Da aber die Energie die man aufwenden muß um eine Aufgabe zu erfüllen enorm hoch ist, bei manchen Aufgaben brauch man 60 Energie, summiert sich das äußerst schnell.

Um die Sache noch verwirrender zu machen, ist der Preis für Edelsteine im Fluss. Einige Nutzer in bestimmten Regionen erhalten unterschiedliche Preise und hohe Rabatte, andere hingegen nicht. Warner Bros. scheint zu testen, welche Preisbereiche am effektivsten sind, aber das Experimentieren mit Preisen inmitten massiver Fan-Gegenreaktionen scheint ein schlechter Zug zu sein.

Offensichtlich ist Harry Potter: Hogwarts Mystery so konzipiert, dass es in kurzen Ausbrüchen gespielt werden soll. Aber diese Ausbrüche scheinen in der frustrierendsten Zeit zu enden, unterbrechen einen oft mitten in intensiven Story-Momenten oder auf halbem Weg durch das Lernen eines Zauberspruchs und erzwingen Aufgaben zu wiederholen.

Ich kann nicht anders als zu glauben dass Entwickler Jam City besser dran gewesen wäre uns einen alternativen Fortschrittspfad zu geben, um unseren Weg nach vorne zu verdienen. Zumindest sollten Sie in der Lage sein Kristalle zu lagern und viel Energie zu sparen oder Edelsteine ohne echtes Geld zu verdienen. Oder sie hätten uns das Ganze zum Vorverkaufspreis verkauft.

Fazit zu Harry Potter: Hogwarts Mystery

Ich besitze alle Bücher und Filme. Ich war schon auf diversen Conventions, sogar Orte aus der Harry Potter Welt habe ich schon besucht. Ich bin der Zielmarkt. Aber selbst ich konnte nicht über die überflüssigen Mikrotransaktionen hinwegsehen, die mich davon abgehalten haben, Harry Potter: Hogwarts Mystery zu genießen. Es ist eine Schande, denn ansonsten hat es trotz des stereotypen Gameplays eine bezaubernde Welt mit einer lustigen Geschichte zu erzählen.

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