Damals, Anfang der 90er, musste man sich als Kind mit der Leidenschaft Videospiele eine elementare Frage stellen: Sega oder Nintendo? Sonic oder Mario? In den „guten alten Zeiten“ des Megadrive war der blaue Igel ein legitimer Herausforderer und erst der Wechsel zu 3D entschied den Kampf endgültig zugunsten des italienischen Klempners.

Eine Prise Nostalgie…

Sonic Mania nimmt nun die Nostalgie des alten Sonic als Grundlage, rührt diesen Kessel Buntes kräftig um und präsentiert uns ein Spitzenmedley aus vertrauten und neuen Elementen. Wir befinden uns zu Beginn im Hauptmenü, das uns an Sonic 3 erinnert und nach Auswahl des Mania Modus an dem einen Platz, an den jeder Sonic Fan zurückkehren möchte: Die Green Hill Zone; Dr. Robotnik und seine Ergebenen fliehen mit den Chaos Emeralds und Sonic, Tails & Knuckles stürzen hinterher. Dabei spurten sie durch andere vertraute Level wie die Chemical Plant, Flying Battery oder Hydrocity Zone, jedoch auch durch völlig neue Areale, jeweils mit einem Boss am Ende.

Der finale Encounter, der uns am Ende einer grandiosen neuen Stage in einem Fernsehstudio erwartet, ist ein Musterbeispiel für gutes Bossdesign: Dr. Robotnik erwartet uns vor einer Wetterkarte, die ständig wechselndes Wetter und damit die nächste Attacke des Fieslings vorhersagt. Stellt der Bericht beispielsweise Hitze in Aussicht, müssen wir uns schnell in den Schatten des verrückten Eierkopfes begeben, um nicht von den Studioscheinwerfern gegrillt zu werden. Ohne Tutorials, Texttafeln oder nervige Tipps finden wir die benötigten Kniffe für den Kampf heraus und kriegen auf diese Weise spaßige kleine Schlachten geliefert. Zwar können nicht alle Bosskämpfe in Sonic Mania auf dem gleichen Niveau punkten, funktionieren tun sie jedoch alle gut.

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…und ein Haufen Kreativität

Apropos gutes Design: Wer bei Erwähnung der Green Hill Zone Nostalgieakne bekommen und Sega wegen Recyclings des immer gleichen Levels verklagen wollte, der halte noch einen Augenblick die Füße still. Zwar beginnt der Level klassisch, die Formel von Sonic Mania ist jedoch eine andere: Nach nostalgischem Einstieg verzweigen sich die Pfade im Level immer weiter, verändern sich, präsentieren andere Gegner und andere Items (wie beispielsweise die Elementarschilde aus Sonic 3). Der zweite Akt einer Stage schließlich bietet sowohl auf der Audiospur als auch im Leveldesign einen Remix verschiedener Zitate aus dem Sonic-Universum und bietet – vor allem aber nicht ausschließlich für alte Fans des coolen Igels – einige tolle Momente und Easter Eggs, die wir hier nicht spoilern wollen.

Durch den Remix werden die Level länger als die Megadrive-Vorbilder, langweilig werden sie jedoch nie. Sonic Mania versteht sich meisterhaft darauf, sukzessive neue Gameplay und Levelelemente hinzuzufügen, Bonuslevel zu verstecken und konstant Abwechslung zu bieten, ohne dass es krampfhaft gewollt wirkt.

Möchte man nach einem Haar in der Suppe suchen, würde ich sagen, dass das Leveldesign und die Art und Weise, wie die Akte verzweigt sind, nicht jedem gefallen müssen. Gerade mit Sonic, fliegt man manchmal nur so durch die Stages, sodass man schnell die Orientierung verliert und die Erkundung des gesamten Levels so schwerfällt. Mit Tails Flugfähigkeit und Knuckles generell eher langsamerem Approach, wird jedoch auch diesem Kritikpunkt schnell der Zahn gezogen.

Hört ihr schon das Green Hill Theme in eurem Kopf spielen?

Frischzellenkur a la Sonic Mania

Natürlich lebt die Grafik vom Megadrive-Faktor. Ein komplettes Repackaging ist dementsprechend nicht gewollt und wäre kontraproduktiv. Der Teufel liegt also im Detail: Sonic hat mehr Animationsphasen in seinem Bewegungsablauf, sodass wir uns viel flüssiger und geschmeidiger bewegen. Die einzelnen Zonen sehen detaillierter aus, ohne jedoch aus dem organisch wirkenden Look hervorzustechen. Zudem bekommen wir mehr Zwischensequenzen als wir das aus Sonic 1-3 gewohnt sind. Diese kommen dankenswerterweise komplett ohne Dialog, Sprachausgabe oder Texttafeln aus. Stattdessen wird die Handlung rein szenisch mithilfe von Gestik und Mimik der Charaktere erzählt.

Nach etwa 4 Stunden ist Sonic Mania durchgespielt, was ein ordentlicher, wenn auch nicht überwältigender Umfang ist. Möchte man jedoch alles entdecken, was Sega in den Levels versteckt hat und vielleicht noch mit seinen Freunden im Multiplayer um die Wette flitzen, bewegen wir uns schnell bei 10+ sehr kurzweiligen Stunden.

Fazit:

Entgegen landläufigen Meinungen Einiger, ging es bei Sonic noch nie nur darum, halsbrecherische Geschwindigkeiten in einem Jump & Run zu erreichen. Sonic Mania erinnert sich daran und liefert neben Speed, fantasievoll gestaltete Level, Herausforderungen, Flow-Gefühl und deutlich erkennbaren Spaß am Design.

Sonic Mania verlässt sich nicht auf den Nostalgiefaktor, sondern ist losgelöst davon ein sehr gutes 2D-Jump & Run. Für Sega-Fans, die die vielen liebevollen Anspielungen, Zitate und Verbeugungen vor der Historie der Serie suchen und finden, ist das Spiel sogar herausragend für das was es sein möchte. Es erinnert jeden Gamer daran, was das Coole und Einzigartige an den Sonic Titeln war und schürt zur richtigen Zeit am richtigen Ort Hoffnung dafür, dass Sonic es immer noch draufhat. Eine neue Evolutionsstufe ist Sonic Mania freilich nicht – jedoch können Fans wieder mit Vorfreude in die Zukunft blicken.

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