Der Krieg ohne Held

Selten wurde ich von einem Spiel auf so eine bittersüße Art und Weise von all seinen Möglichkeiten erschlagen.  Selbst nach Stunden erscheint ein Tutorial nach dem anderen und lässt die lange Spielzeit erahnen, die man mit Disgaea verbringen kann.  Nicht ohne Grund scheiden sich hierbei die Geister – die Einen lieben den Umfang, Andere können die Reihe alleine aufgrund der bunten Anime-Grafik nicht ernst nehmen.

Rachefeldzug

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Unser „Held“ Kilia in einem der oftmals grenzwertigen Dialoge.

Wer bei der Disgaea Reihe eine tiefgründige Story erwartet sucht am falschen Ort – dafür war sie noch nie bekannt.  Schon früh kann man erahnen wohin die Reise führt: Das Nether-Universum wird von „Void Dark“, einem allmächtigen Overlord, und seiner Armee, genannt „The Lost“, bedroht. Void Dark kennt keinerlei Grenzen und macht sich einige Feinde unter den Dämonen. So hat auch der Protagonist und Anti-Held Killia seine Gründe ihn besiegen zu wollen, welche man zugegebenermaßen schon gleich oder ähnlich in vielen anderen Spielen und Filmen gesehen hat. Lange bleibt er mit seinem Vorhaben nicht alleine, denn schon zu Beginn des Spieles trifft er auf Seraphina, einer selbstbewussten Overlord Prinzessin, deren Welt von den Truppen des Lords überrannt wurde. Augenblicklich verliebt sie sich in den stillen Killia und schließt sich seinem Rachefeldzug an. Mit Fortschreiten der Geschichte vereinen wir immer mehr stereotypische Mitglieder unter dem Banner der Rache und beginnen dem Bösewicht und seiner Armee entgegen zu treten. Dünne Story hin oder her, die Dialoge haben mich mehr als einmal zum Lachen gebracht und sind erfrischend verrückt.

Einiges neu aber vieles beim Alten

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Die Itemworld wie man sie kennt und liebt.

Der Trumpf von Disgaea waren schon immer seine schier unbegrenzten Möglichkeiten. Um all seine Mechaniken und Elemente übersichtlich aufzuzeigen, müsste man wahrscheinlich eine sehr lange Liste erstellen. Nur so viel: Schöpft man alles aus was einem zur Verfügung steht, kann man sich mit Sicherheit monatelang beschäftigen. Wie in den Teilen zuvor ist das Spiel in mehrere Stages, die wiederum mehrere Levels enthalten, unterteilt. Betreten könnt Ihr diese über Eure Basis, welche Shops, Questgeber, NPCs zum Rekrutieren, Heilen uvm. beherbergt.

Auch das rundenbasierte Spielprinzip zeigt sich im selben Gewand. Ihr kämpft auf einer isometrischen Karte und gebt Eurer Truppe die verschiedensten Befehle. Sind Eure Helden gut positioniert, lösen sich starke und interessant anzusehende Kombinationsangriffe aus. Geblieben ist auch das beliebte „Magichange“-System, mit dem Ihr die Monster in Eurem Team in mächtige Waffen verwandeln könnt.

Aber was ist jetzt eigentlich neu im 5. Teil der Reihe? Zum einen wäre da der „Revenge Modus“. Sobald Eure Charaktere Schaden austeilen oder ihre Teammitglieder leiden sehen, füllt sich ihre Rache-Leiste auf. Ist sie komplett gefüllt, wechselt Ihr in den Rache-Modus und der jeweilige Charakter erhält die verschiedensten Boni. So habt Ihr bspw. eine kritische Trefferchance von 100 % oder es lassen sich verheerende Angriffe ausführen.

Zusätzlich zu den bekannten Magieresistenzen gesellen sich nun endlich auch Waffenresistenzen hinzu – Fans der Reihe fordern das schon lange. Zusätzlich zur Hauptwaffe kann nun bei jedem Charakter eine Zweitwaffe ausgerüstet werden. Das fördert die Vielfältigkeit der Charaktere und gefällt!

Ich will der Allerbeste sein .. dann Grinde!

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Die Zähler erreichen wieder neu Höchststände!

Natürlich führt nicht nur die richtige Strategie zum gewünschten Ziel: Wie auch in den vorherigen Teilen spielen die Items eine riesige Rolle. Daher gibt es für sie sogar eine eigene, altbekannte Welt – die Item World. Um genau zu sein handelt es sich dabei nicht nur um eine, denn jeder einzelne Gegenstand hat seine eigene Welt, die Ihr betreten könnt. Dort müsst Ihr, wie Ihr es auch schon von den Netherwelten kennt, verschiedene Level bezwingen und erhaltet dafür wichtige Upgrades. Die Item Worlds sind interessant gestaltet und bieten, dank den coolen Belohnungen, einen hohen Suchtfaktor.

Wie zuvor erwähnt gibt es in Eurer Basis eine weitere Neuerung – einen Quest NPC! Hier könnt Ihr bis zu 10 Aufgaben zur selben Zeit annehmen und erhaltet dafür Belohnungen, wie Geld, Items oder sogar neue Klassen.  Die meisten Quests entsprechen dem Grind Charakter des Spieles: So müsst Ihr zum Beispiel 10 Gegner einer Art besiegen, besondere Items abgeben oder ein Level in nur einer Runde schaffen.  Das führt dazu, dass man viele Level oft mehrmals sieht und es schnell repetitiv wirken kann, wenn man kein Fan von Grinding ist.

Grafik – die Möglichkeiten der PS4 ausgeschöpft?

Es ist kein Geheimnis, dass die Disgaea Reihe auf einen bunten und quirligen Anime-Stil setzt. Das passt großartig zur Serie und wird konsequent durchgesetzt, mag aber den Einen oder Anderen verschrecken. Im Gegensatz zu den älteren Teilen wurden die Charaktere mit mehr Details ausgestattet und wirken nicht mehr so kantig, viel hat sich ansonsten nicht getan. Da hätte man mithilfe der PS4 bestimmt noch etwas mehr herauskitzeln können. Trotzdem zählt hier die Devise: old but gold!

Ohrenschmaus oder Ohrengraus

Oft habe ich mich dabei erwischt eine Extrarunde in der Basis zu drehen oder im Menü zu verweilen, das Headset lauter zu drehen und im Soundtrack des Spieles zu versinken. Denn der ist durchweg großartig gelungen und wird auch nach Stunden im Spiel nicht tröge. Und die Synchronisation? Die kann leider nicht so überzeugen. Gerade der Protagonist Killia wirkt mit seiner monotonen Stimme oftmals desinteressiert und emotionslos. 

Disgaea ist zu großen Teilen vertont und Ihr habt die Wahl zwischen der englischen und japanischen Sprachausgabe – Deutsch sucht man leider vergeblich, auch bei den Untertiteln. 

Fazit

An der Disgaea Reihe scheiden sich seit jeher die Geister. Man muss das Spielprinzip, die Grafik und den riesigen Umfang mögen. Wenn man sich darauf einlässt, wird man mit einem schier unglaublichen Spiel, in das man hunderte von Stunden investieren kann, belohnt und immer wieder mit neuen Dingen überrascht. Die jeweiligen Elemente und Mechaniken fassen perfekt ineinander und bieten somit ausgezeichnetes Gameplay. An vielen Stellen war mir der 5. Teil der Reihe persönlich jedoch ein Stück zu viel Grinding und bot mir zu wenig Motivation um die nötige Zeit zu investieren. Große Taktikliebhaber kommen an Disgaea 5 – Alliance of Vengeance jedoch auf keinen Fall vorbei! 

Update Switch Version „Disgaea 5 Complete“

Es ist ja nicht so, dass Disgaea 5 schon von Haus zu wenig Inhalt hätte. Mit der Anfang Mai erschienenen Complete Version für Nintendos Hybrid Konsole Switch gibt es jetzt noch mehr Missionen und abgefahrene Charaktere in den rundenbasierten Kämpfen. Die umfangreichen DLC Inhalte der PS4 Versionen sind hier schon direkt mit an Bord. Spielerisch hat sich natürlich nichts verändert, die Dialoge sind weiterhin komplett abgedreht und die Schadenszahlen erreichen serientypisch epische Höhenflüge. Die Flexibiltät der Konsole kommt dem Titel dabei mehr als entgegen. Disgaea trumpft im Handheld Modus gerade zu auf, die taktischen Kämpfe passen perfekt zur Switch und die charmante Optik des Titels wirkt auf dem kleineren Screen einfach ansprechender. Wer sich also gerne unterwegs eine Runde mit allerlei Dämonengesocks prügelt, ist hier genau richtig und wird – vorausgesetzt man ist bereit sich in das Spiel hineinzufuchsen, geschenkt wird einem hier nichts – für die nächsten Monate beschäftigt sein. Als kleiner Tipp: Verzichtet auf die Freischaltung der zu mächtigen DLC Charaktere und lasst die 1.000.000 Credits vorerst mal lieber im DLC Shop stecken. Das Spieleinstieg wird dadurch zu leicht und der Lerneffekt massiv geschmälert. 

An der Wertung ändert sich nichts. Freunde japanischer RPG-Rundenstrategie und Taktikexperten können und sollten sogar bedenkenlos zugreifen.

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