Nicht nachfragen, hinnehmen

Kate Walker ist zurück. Wie bitte, wer? Kein Wunder, dass unserem Gedächtnis etwas auf die Sprünge geholfen werden muss, denn Syberia 2, der Vorgänger des erst jetzt erschienenen Teils wurde bereits im Jahre 2004 (!) veröffentlicht. Syberia 3 stellt somit einen mehr als spät erschienenen Nachfolger einer eigentlich abgeschlossenen Geschichte dar. Was genau es mit dem französischen Adventure von Publisher Microids auf sich hat und ob sich das Warten tatsächlich gelohnt hat, erfahrt ihr im Test.

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Irgendwo in Sibirien …

Eine Frau, die wir später als Kate Walker kennenlernen, liegt bewusstlos in einem Boot am Flussufer. Die Umgebung ist voller von Schnee und Eis. Dem Erfrieren nahe wird die Frau von einem fiktiven Nomadenstamm entdeckt und aufgenommen. Die „Youkol“, wie die Retter sich nennen, sind klein gewachsene, etwas dickliche und sonderbar einfältige Zeitgenossen, die hartnäckig an ihren alten Traditionen festhalten. So auch an der langen Paarungsreise ihrer „Schneestraußen“ auf der sie sich momentan befinden und die nur alle 20 Jahre stattfindet. Leider passen ihre Rituale nicht in die moderne Zeit und so versuchen die meisten Zeitgenossen, allen voran die Regierung, die Marschroute der Youkol zu unterbinden und sie zu zwingen endlich sesshaft zu werden. Aber nicht nur den Youkol macht die Regierung das Leben schwer, auch ist sie unserer Hauptprotagonistin auf den Fersen, der allerlei Verbrechen vorgeworfen werden. Diese Anschuldigungen scheinen mit den beiden Vorgängern zusammenzuhängen. Auch wenn wir die ersten beiden Teile nicht gespielt haben, verstehen wir zumindest grob alles, was wir für die Geschichte wissen müssen.

Kate Walker entschließt sich dazu, den Youkol zu helfen und ihr eigenes Leben in Amerika zurückzulassen, wo sie einst als Anwältin tätig war. Die Youkol, die sich selbst überlassen wohl keine zehn Meter weit kommen würden, sind uns für die Hilfe mehr als dankbar. Und so beginnt Kate Walkers Reise mit der Straußenherde durch Sibirien, in der es massig Rätsel zu lösen und Geheimnisse zu lüften gilt.

Logik? Lieber nicht

Schon sehr früh im Spielverlauf fällt auf, dass die Rätsel nicht sehr gut überdacht wurden. Die erste Aufgabe, die uns gestellt wird, ist uns aus einem Raum zu befreien, in dem wir eingeschlossen sind. Unser Zimmerkumpane Kurk weist uns eindringlich darauf hin, dass wir die Türe nicht selbst öffnen können, sondern einen Knopf reparieren müssen, der das Personal anklingelt. Also reparieren wir den Knopf, drücken ihn – und was passiert? Genau, die Türe öffnet sich – ah ja. Leider sind solche Rätsel auch nicht die Ausnahme, sondern die Norm, die einen immer wieder mit einem unguten „Hä,-soll-das-jetzt-so?-Gefühl“ zurücklässt. Rätsel passen nicht zusammen und ergeben irgendwie auch keinen Sinn. Nicht nachfragen, hinnehmen.

Dies scheint allgemein die Devise in Syberia 3 zu sein. Warum zum Beispiel bringt der Nomadenstamm, der seit Jahrhunderten die gleiche Reise unternimmt nix allein zustande? Dies sollte wohl der Spielmechanik zugutekommen, die Youkol wirken aber damit leider ausgesprochen dümmlich und unterirdisch zurückgeblieben, wenn sie zum Beispiel nicht einmal ihre eigens entworfenen Mechanismen bedienen können. Auch ihre zugedachte Sprache, die aus gefühlt fünf Wörtern besteht, hebt den Stamm nicht gerade als Intelligenzbestien hervor. Es drängt sich nicht selten die Frage auf, wie dieses Volk in der Vergangenheit überhaupt überlebt hat. Sie verlassen sich voll und ganz auf „Misskatewalker“, die das Schiff schon irgendwie schaukeln wird. Okay, dann müssen wir das wohl so hinnehmen.

Neben den Rätseln müssen wir uns in Syberia 3 auch öfters mit den anderen Charakteren unterhalten. Dabei beeinflusst unsere Gesprächsauswahl den Verlauf des Gespräches – nicht. Es mag zunächst den Anschein haben, als müssten wir den richtigen Ansatz finden, um negative Auswirkungen zu vermeiden, irgendwie kommt man aber mit allen Antworten zum exakt selben Ziel. Schade.

Des Weiteren scheinen die Sprachausgaben in Syberia 3 ihren ganz eigenen Charakter zu haben. Die Lippensynchronisation passt in der französischen Fassung gut, in der englischen ansatzweise, im Deutschen nicht mal im Entferntesten. Auch wurde die Übersetzung oft zu lang oder zu kurz gestaltet, sodass die Charaktere oft ohne einen Laut von sich zu geben die Lippen bewegen oder man eben die Synchro hört, während die Charakteranimation schon längst durch ist. Nicht selten passiert es, dass Charaktere mitten im Satz sekundenlange, irritierende Pausen machen, oder der Satz gleich ganz abgebrochen wird. Manchmal versuchen sich die Charaktere sogar multilingual und Sprachen werden bunt durcheinander gemischt. Der Text wird oftmals so lieblos vorgetragen, dass einfach keinerlei Emotion aufkommt. Ganz schlimm hat es hier ebenfalls die deutsche Fassung erwischt.

Gefangen im Endlosbacktracking

Während der Rätsel müssen wir in relativ großen Gebieten immer wieder von einer Ecke in die andere rennen und jeden Zentimeter Boden nach brauchbaren Utensilien absuchen, die wir am anderen Ende des Levelabschnittes benötigen. Aber nicht nur die langen Laufwege machen es uns schwer, zwischen den einzelnen Abschnitten eröffnen sich uns Ladezeiten, die uns an die Grenzen unserer Geduld bringen. Faszinierend beispielsweise auch, wie viele unsichtbare Wände es in Sibirien gibt oder die Treppen, die – wenn überhaupt – nur im Schneckentempo überwunden werden können.

Alles in allem ist die Zeit, die wir an den einzelnen Orten verbringen, einfach zu lang und es ist sooo enorm öde, immer wieder im Level vor und zurück zu laufen ohne einen wirklichen Plan, wonach wir eigentlich gerade suchen. Präzise Anweisungen gibt´s nämlich trotz eingeschalteter Hinweisfunktion nur selten.

A Bug´s Life

Die Spielfehler in Syberia 3 haben es wirklich in sich. Dies reicht von komplett falsch eingeblendeten Texten, die nicht zur Synchro passen über fehlende Animationen bis hin zu auf magische Weise verschwindende Umgebungsobjekte.

Unsauber gestaltete Spielmechaniken geben dem Titel den Rest. Immer wieder muss in einem Rätsel an den Gegenstand heran- und herausgezoomt werden, wodurch sich der Kamerawinkel ungünstig ändert, manchmal müssen Hebel schnell betätigt werden, was durch die komplizierte Steuerung einfach nicht gelingt. Das strapaziert ganz schön die Nerven. „Mit einem Controller macht das Spiel mehr Spaß.“ – an diese Anweisung eines minutenlangen Ladebildschirmes erinnere ich mich noch genau. Zustimmen kann ich dem leider nicht.

Schleierhaft ist mir ebenfalls, warum hier auf ein manuelles Speichersystem verzichtet wurde. Teilweise müssen komplette Sequenzen und Abschnitte erneut angesehen und durchforstet werden, weil das Spiel es nicht für nötig hielt, nach bestimmten Ereignissen einen automatischen Savepoint zu setzten. Mehrere Speicherstände gibt es ebenfalls nicht.

Was man im Jahre 2017 zu diesem optischen Fiasko dann noch sagen soll, das weiß ich auch nicht so genau. Diese unsaubere, „veraltete“ 3-D-Grafik hätte auch vor zehn Jahren keinen Blumenstrauß gewonnen. Außerdem sind Frameeinbrüche und Ruckler an der Tagesordnung. Und für all das brauchte es nun eine fünfjährige Entwicklungszeit? Denn angekündigt wurde der Titel bereits 2012. Musikalisch könnte das Adventure durchaus Punkten, gäbe es ein paar Titel mehr und nicht immer nur die zwei selben Melodien, die die ganze Zeit in Dauerschleife laufen.

Fazit

Die Grundstimmung wäre da gewesen, einige solide Rätsel für ein halbwegs anständiges Adventure ebenfalls und auch die Geschichte wäre an für sich einigermaßen spannend. Auch hat Syberia 3 viele eigensinnige, liebenswürdige und wirklich gut geschriebene Charaktere. Aber es wird dem Spieler durch zahlreiche technische Totalausfälle überaus schwer gemacht Spaß zu haben. An die Grafik kann man sich irgendwann gewöhnen, ebenso daran nicht speichern zu können, an endlos langes Backtracking, Logiklücken, zahllose Bugs und Animationsfails allerdings nicht. Auch ist das abrupte Ende für die meisten Fans vermutlich enttäuschender, als das im Vorgänger. Patches sind in der Entwicklung, bleibt nur zu hoffen, dass diese die größten Spielfehler beheben werden.

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