Civilization IV Test

Firaxis neuster Anlauf in der langlebigen Strategiereihe will sowohl neuen Spielern als alt-eingesessenen Fans spannende Herausforderungen beim Erkundigen, Eroberung und Ausbeuten neuer Welten liefern. Dabei bietet Civilization VI mehr als alle seine Vorgänger, kämpft jedoch gleichzeitig mit einigen sehr frustrierenden Problemen. Doch beginnen wir mit dem Lob.

Civilization VI

Rundum-sorglos-Paket

Civilization VI liefert einen beeindruckenden Umfang, der fast alle Inhalte von CIV V als auch dessen Erweiterungen beinhaltet. Das heißt, wir können uns auf die vielseitige Auswahl an großen Persönlichkeiten, Regierungsformen und auf das spannende Religionssystem freuen, was wir kennen und lieben gelernt haben. Diese Errungenschaft muss anerkannt werden, denn im sechsten Anlauf so sinnvoll auf Bestehendem aufzubauen ist keine einfache Aufgabe.

Gleichzeitig überrascht CIV VI mit einer unterhaltsamen, frischen Auswahl an Anführern und Zivilisationen. Während einige bekannte Seriengrößen wie Cleopatra, Montezuma und Saladin zurückkehren, bringt der Titel auch viele weniger bekannte Figuren wie Pericles, Hojo Tokimune und Trajan ins Spiel die für frischen Wind sorgen. Wer den Titel auf Englisch spielt, kommt außerdem in den Genuss der wohl besten Vertonung der Serie überhaupt in Gestalt von Sean Bean (bekannt u.a. aus Herr der Ringe und Game of Thrones). 

Planung ist das A und O

Das neue Distriktsystem, durch welches der Spieler an den Stadtkern grenzende Felder mit Erweiterungen wie Theater oder Industriezonen bebaut, funktioniert sehr gut, fügt dem Spiel zusätzliche Tiefe hinzu und lässt die Städte einzigartig aussehen. Sie sind außerdem für die Freischaltung bestimmter Fähigkeiten notwendig, die zuvor jeder Stadt direkt zur Verfügung standen, beispielsweise die Produktion von Kultur, Forschungspunkten oder Handel.

Da Distrikte Felder auf der Karte belegen, Bevölkerung benötigen und einiges an Zeit und Aufwand kosten, ist die Spezialisierung von Städten in CIV VI wichtiger denn je. Durch den Wegfall der Zufriedenheit ist das Management der Siedlungen auf der anderen Seite jedoch auch etwas einfacher geworden. Gleichzeitig wird das Wachstum von Städten durch die Notwendigkeit von Behausungen begrenzt und dadurch auch wieder ein wenig erschwert.  

Civilization 6
Durch die neuen Distrikte lassen sich Städte deutlich individueller Gestalten und wirken lebendiger.

Herrschen und Beherrschen

Das Regierungssystem auf CIV V gelingt in polierter und verfeinerter Form. Statt eine Politik aus bestimmten Bereichen zu wählen, um danach eine begrenzte Anzahl an Ideologien verfügbar zu haben, erlaubt es CIV VI dem Spieler die Regierungsform zu setzen. Hier reicht die Auswahl von der klassischen Republik bis zum totalitären Staat, wobei jede Form bestimmte Boni und Zugang zu einzelnen Politiken verschafft. Dabei bringen autoritären Staatsformen eher Militärboni, Republiken finanzielle und kommunistische Regime einen Mix aus beidem mit weniger Flexibilität.

Des Kaisers neue Kleider

Wie es sich für eine Neuauflage gehört, wurde der Titel auch technisch aufpoliert und mit einem neuen Technik- und Grafikgerüst ausgestattet. Die Performance ist durchweg gut, größere Frame-Einbrüche oder gar komplette Abstürze ließen sich nicht feststellen. Es gibt einen umfassenden Mod-Support, die Steam Workshop Einbindung will der Entwickler zeitig nachliefern. Was das neue, eher comichafte Design angeht, scheiden sich die Geister. Die Umsetzung ist in sich gelungen, bleibt aber schlußendlich Geschmacksache. Meinen trifft es nicht ganz, da ich einen etwas erwachseneren Stil bevorzuge und mich bei diesem Stil an die eher dunklen Zeiten der späteren Siedler-Teile erinnert fühle.

Civilization 6
Ein neuer, etwas comichafter Stil in Civilization VI

Dumm, dümmer, CIV VI KI

Man hatte sich großes vorgenommen: Interaktionen mit anderen Zivilisationen sollten in CIV VI signifikant verbessert werden durch die Einführung der verschiedenen Agenden. Jeder Anführer hat eine bekannte Agenda, etwa Qin Shi Huangs 10.000-Li-Mauer, die dazu führt das er so schnell wie möglich Wunder baut und keine Zivilisationen mag, die schneller sind als er. Klingt erstmal spannend, doch die KI-Anführer zeigen sich immer wieder Unwillens oder unfähig, ihre Agenda auch wirklich auszuführen. Er massives Problem welches direkt mit den Problemen bei Wegfindung und Kampf-KI zusammenzuhängen scheint.

Ein Beispiel: Während einer Runde als Rom erlangte ich kontrollierenden Einfluss über einen Stadtstaat. Etwas das Barbarossa, Anführer der Deutschen, nicht mag und mir deshalb prompt den Krieg erklärte. Seine (gewaltige) Flotte jedoch sollte nie eintreffen. Der Grund? Eine einzelne Galeere, die ich vor einer halben Ewigkeit auf Erkundungsmission geschickt hatte. Seine auf Schiffe verladene Armee hatte diese eine Galeere umzingelt, mit der Absicht, anzugreifen. Da aber nur Marine-Einheiten auf See attackieren können, nicht verschiffte Landeinheiten, passierte nichts, außer einem riesigen, hässlichen Stau.  

Hundert Runden später tröpfelten dann die ersten Einheiten bei mir ein und wurden im Handstreich vernichtet. Die KI scheint schlicht nicht in der Lage zu sein, mit dem „Eine Einheit pro Feld“-System umzugehen. Immer wieder gab es im Spiel ähnliche Muster die sich wiederholten: Ganze Armee die an Hindernissen hängenbleiben. Armeen die, wenn sie dann ankommen, sinnlos im Kreis laufen und vernichtet werden ohne irgendetwas anzugreifen. Ähnliche Probleme zeigten sich bei der Verteidigung durch die KI.

Es ist klar, dass der Spieler einer künstlichen Intelligenz taktisch oft überlegen sein wird. Aber die KI in Civilization VI ist schlicht nicht in der Lage, das Spiel sinnvoll zu spielen. Diese Probleme zeigten sich bereits im Vorgänger, doch hier hat Firaxis nicht nachgebessert, ganz im Gegenteil. Dies ist schlicht inakzeptabel. Auch das nachgelieferte Update hat keine signifikanten Verbesserungen gebracht, weshalb der Titel durch dieses Manko etwas abgewertet wird.

Fazit:

Civilization VI ist auf der einen Seite eine signifikante Weiterentwicklung des sehr guten Vorgängers, mit mehr Nuancen, Atmosphäre und einem tieferen strategischen Anspruch. Leider werden diese Verbesserungen durch die schlechte KI teilweise in den Schatten gestellt. Probleme in diesen Ausmaßen finden sich bei keinem anderen aktuellen AAA-Strategiespiel. Wer über dieses Manko hinwegsehen kann oder viel Multiplayer-Partien spielt, wird mit Civilization VI jedoch genauso viel oder sogar mehr Spaß als mit dem fünften Teil der Serie haben. Die Vorgänger zeigen, das Firaxis durchaus in der Lage ist, die bestehenden Probleme noch auszubügeln. 

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