So beginnt die Masquerade

Unsere beiden Helden in Masquerade haben es geschafft – die Karte, auf der die Fundstätte der magischen Orbs verzeichnet ist, ist wieder in sicheren Händen. Doch ein Augenblick der Unaufmerksamkeit und unser Held muss niedergeschlagen und an der Grenze zur Bewusstlosigkeit mit ansehen, wie sein weiblicher Sidekick samt Karte von den Schergen entführt wird. Natürlich rappeln wir uns auf und wetzen hinterher, bevor die Dame dem Oberbösewicht zugeführt wird…

Wenn man die Story von Masquerade auf diese Art und Weise niederschreibt, wirkt sie, völlig zu Recht, ziemlich durchgekaut und so kreativ wie Kartoffeln als Beilage in der Mensa. In The Baubles of Doom spielen wir jedoch keinen Soldaten der die Nazis/Russen aufhalten muss oder einen aufrechten Nobody, der eine außerirdische Invasionsmacht aufhält. Ihr spielt Jaxx den Narren, der mit seiner Gefährtin Comedia eine böse Armee von Clowns aufhalten muss…. Das ist neu. Jaxx selbst erinnert optisch ein wenig an Freakazoid (wer ihn noch kennt), wohingegen das herausstechende Merkmal seiner Gefährten ist, dass ich sie in Gedanken häufig  aus Versehen „Chlamydia“ nenne. Dazu hätte Herr Freud bestimmt eine Menge zu sagen.

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Masquerade ’s Helden Jaxx kann so leicht nichts aus der Ruhe bringen

Zoten bringen Quoten

Wie man vielleicht an meiner Kanonade fantastischer Scherze – und dem Setting – ableiten kann, ist der zentrale Punkt von Masquerade: The Baubles of Doom sein Humor. Und wie bei meinem Gag-Feuerwerk, so zündet auch hier nicht jede Pointe. Man merkt dem Spiel schon an, dass man Liebe investiert hat, um den ein oder anderen Slapstick-Moment zu inszenieren. Und wer Clowns liebt oder Humor (und Prügelein) mit dem Holzhammer, wird gänzlich auf seine Kosten kommen. Habt ihr kein Herz für Narreteien, werdet ihr mit dem Titel nicht glücklich werden. Der größte Teil der Weltbevölkerung wird vermutlich zu Beginn skeptisch sein und bei der ein oder anderen schlechten Zote verschämt den Blick von der Mattscheibe anwenden und seine Fingernägel studieren. Aber eben auch ab und zu schmunzeln und die lockere und leichtherzige Grundstimmung des Spieles mitnehmen. Gerade in Zeiten, in denen jedes Spiel  und jeder Film möglichst düster zu sein hat, ist ein Action-Adventure mit tollpatschigen Clowns in der Antagonistenrolle eine schöne Abwechslung. Und der Erzähler, der das Geschehen hin und wieder kommentiert und die vierte Wand durchbricht, ist ebenfalls eine Bereicherung.

Das spielerische Kernelement in Masquerade sind die Kämpfe. Entwickler Big Ant Studios entschied sich für eine stark abgespeckte Version des Batman-Freeflow-Kampfsystems: Ein Knopf zum Hauen, einer zum Kontern, einer zum Ausweichen, Fernkampf, Special Move – fertig. Wenn man mit seinem übergroßen Hammer den letzten seiner Feinde in einem Areal in den Zement gedübelt hat, gibt es sogar eine kleine Zeitlupe – ganz wie beim Vorbild. Untermalt werden die Treffer von Sprechblasen, in denen, huch, wie in den alten Batman-Comics, so etwas steht wie „Pow!“. Das in der Spielewelt sehr erprobte Kampfsystem funktioniert, liefert einen leichten Einstieg und macht auch Spaß, lässt jedoch sehr an Tiefe vermissen. Mit den Clownsnasen, die die Gegner bei ihrem Ableben verlieren, füllt sich ein Balken und wir können einen Special Move loslassen. Später im Spiel schalten wir noch zwei andere dieser Manöver frei – und das war es. Keine neuen Moves oder Combos, keine Upgrades, keine neuen Waffen oder Gadgets und keine Skills. Hier verschenkt Masquerade Potential, denn so wird die Abfolge aus Schlagen und Kontern sehr schnell repetitiv und dürfte anspruchsvoller in der Ausführung sein. Obwohl die Gefechte unter dem Strich immer noch spaßig sind, tun die Steuerung und die Kamera ihr Möglichstes, um die Bilanz zu verschlechtern. Die Eingabe fühlt sich hin und wieder sehr verzögert an und reagiert im schlimmsten Fall gar nicht und die Kamera ist zu dicht am Geschehen, sodass wir oft nicht sehen, wenn ein Gegner auf uns zugestürmt kommt.

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Wer wollte nicht schon einmal einen Clown vermöbeln?

Hin und wieder stolpern wir auch über einen Bossgegner. Diese Begegnungen sind jedoch spielerisch uninspiriert und nur aufgemotzte Versionen der normalen Gegner. Inszenatorisch sind sie jedoch durchgehend gut – wie gesagt, wenn man ein Herz für Clowns hat.

Die Level erinnern stellenweise an Areale aus der PlayStation 1-Ära, sind extrem linear und fühlen sich an als würde man gerade durch ein Rohr gespült werden. An allen Ecken und Enden wird man in seinem Eindruck bestärkt, dass die Grafikmaschine von Masquerade einfach zu wenig Pferdestärken hat. Denn selbst in diesen stromlinienförmigen Levels kommt es zu hässlichen Grafik-Pop-ups. Das muss 2016 in einem Nicht-Open-World-Titel wirklich nicht mehr sein. Dadurch wirkt das Spiel gleich fünf Jahre älter.

Stets bemüht

Manchmal hat man das Gefühl, Masquerade: Baubles of Doom ist eigentlich ein grundsolides Gebäude, das leider auf Treibsand errichtet wurde. Ein gutes Beispiel dafür sind die Sprungpassagen. An einer Stelle bin ich etwa zehnmal gescheitert. Teils wegen der sperrigen Steuerung, teils weil es bei Sprungpassagen, bei denen es auf Timing ankommt ein Alptraum ist, wenn Held Jaxx nicht auf mein Knopfdruck reagiert (und natürlich 1-2 Tode aufgrund eigenen Unvermögens). Das Problem liegt an fundamentalen Faktoren des Spiels und ich hätte das Gamepad wohl auch entnervt weggefeuert, wenn die Gamedesigner mich nicht so charmant aufgefangen hätten. Die Respawnanimation von Jaxx ist jedes Mal ein kleines bisschen anders und irgendwann flucht er selbst ob seiner Ungeschicklichkeit und die Erzählerstimme mahnt den Spieler, jetzt einen kühlen Kopf zu bewahren.

Einen ähnlichen Charme findet man bei den Spawnpoints der Gegner wieder. Allgemein sind stetig nachproduzierte Gegner in einem Level meist etwas Schlechtes. Wenn sie wie bei Masquerade jedoch nach und nach aus einem Dixi-Klo ausgespuckt werden, in dem es zugehen muss wie in einem Clowns-Auto, sieht man darüber gerne hinweg.

Fazit

Insgesamt ist mir Masquerade: Baubles of Doom schon ziemlich sympathisch. Wenn man sich auf den Titel einlässt und keine Triple-A Kost erwartet, ist das Spiel ein hübscher Zeitvertreib. Insbesondere für Spieler, die ein Spiel gerne in dreißigminütigen Happen angehen. Dank der teils wirklich guten Sprecher und dem zeitlosen Cel-Shading Look hat man in den starken Momenten des Spiels das Gefühl, einen gelungenen interaktiven Cartoon zu spielen. Speziell Held Jaxx und der Erzähler, die immer wieder den direkten Kontakt mit dem Spieler suchen, wachsen einem unweigerlich ein wenig ans Herz.

Wenn man jedoch mit dem guten aber doch eben sehr speziellen Humor nichts anfangen kann, bleibt nur noch ein durchschnittlicher Budget-Titel übrig, der wirkt wie ein 5 Jahre altes Spiel auf der letzten Konsolengeneration. Die Level sind sehr linear, die Steuerung ist unbeholfen und die Kämpfe, auch wenn sie – dank der bewährten Batman-Formel – Spaß machen, haben zu wenig Substanz, was unter anderem daran liegt, dass es keine Upgrades oder alternative Waffen gibt. Als Kreuzung aus Jump and Run und Action Adventure kann es leider in beiden Genres längst nicht mit den Besten mithalten.

Getestet wurde die PS4 Version von Masquerade, mit der PC-Version gab es leider einige Probleme. Falls das Spiel bei euch ebenfalls nicht startet: Schließt nach Möglichkeit einen Controller an, deinstalliert das Spiel,
leert den Steam Cache und installiert Masquerade erneut.

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