Ironcast: Schau mir in die Augen, Kleines!

„Steampunk-Titel Ironcast, roguelike, mit viel Spaß an Puzzles und Rollenspiel-Elementen sucht Spieler zum gemeinsamen knobeln. Ich suche einen geduldigen Gegenüber, der gegen sein Schicksal ankämpfen möchte und nicht davor zurückschreckt, mir noch eine zweite Chance zu geben.“

Hätte in der Redaktion diese Kontaktanzeige ausgehangen, ich hätte mich vermutlich nicht mit Ironcast getroffen. Denn im Prinzip passen wir nicht zusammen und bei dem Wort „geduldig“ wäre ich wohl schon getürmt. Zum Glück sind Kontaktanzeigen in der Gamesbranche nicht üblich und so ließ ich mich auf das Blind Date ein – und war positiv überrascht!  

In der Tradition von Bejeweled und co … doch warte, da ist noch mehr!

Dabei hätte Ironcast das Licht der Welt um einen Haar gar nicht erst erblickt. Die anvisierten 10.000 Pfund wurden auf kickstarter mit 10.183 Pfund nur knapp überboten. Womöglich traute man dem Entwickler anfangs nicht zu, das typische Bejeweled /Candy Crush-Spielprinzip so anzureichern, dass es eine Nische (in den Herzen der Spieler) finden können wird.

Um genau das zu erreichen, griff man bei Dreadbit tief in die Trickkiste und wob eine Story in der viktorianischen Zeit. In einem alternativen, steampunkigen 19. Jahrhundert befinden sich England und Frankreich in einem jahrelangen Krieg, der mithilfe von sieben Meter hohen Mechs ausgefochten wird – den Ironcast. Nun gilt es auf Seiten der Briten, dem letzten verzweifelten Sturmlauf der Franzosen standzuhalten.

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Die Kämpfe in Ironcast sind überraschend spaßig!

Selbstverständlich sind wir derjenige Pilot, auf den die Hoffnungen der teeschlürfenden Führungsgilde ruhen. Und da irgendein mehr oder weniger findige Ingenieur der Meinung war, man könne die waffenstarrenden Ironcasts (formally known as Mechs) am besten mit einer Art Puzzlespiel steuern, machen wir eben genau das.

Unser Job ist, aneinander liegende Symbole der gleichen Farbe zu verbinden, um die Systeme unseres Ironcast aufzuladen: Verbinden wir violette Bausteine, lädt sich unsere Munition auf. Orangene Token verleihen uns Energie, die wir brauchen, um unsere Schilde zu aktivieren und unseren Ironcast in Bewegung zu setzen und so unsere Ausweichchance zu erhöhen. Grüne Symbole verbinden wir, um unsere Subsysteme zu reparieren. Denn sowohl wir als auch unser Gegner können gezielt die Schilde, den Antrieb oder die Waffensysteme angreifen, um sie vorübergehend lahm zu legen. Hellblaue Symbole schließlich füllen unsere Kühlflüssigkeit auf, die wir dringend benötigen – denn jede unserer Aktionen überhitzt den Kampfläufer etwas mehr und wenn die Kühlung ausfällt, verlieren wir bei jedem Zug einen unangenehm großen Teil Lebensenergie. Pro Runde dürfen wir drei Mal versuchen, Symbole miteinander zu verbinden, um Ressourcen zu generieren. Diese wiederrum limitieren die Anzahl unserer Aktionen und hier kommt die Taktik ins Spiel: So lang wir ausreichend Munition erspielen, dürfen wir beliebig häufig feuern – oder sollten wir erst einmal unsere Defensive stärken? Oder ist es besser unseren Zug jetzt zu beenden, da uns das Kühlmittel ausgeht? Verdammt, vielleicht feuern wir doch noch einmal. Dann schaden wir uns vielleicht selbst, können aber den gegnerischen Laser lahmlegen..? Wer bei Ironcast simples Punkte verbinden erwartete, wird das Kampfsystem als angenehm komplex empfinden und wer sich mal versehentlich selbst in die Luft gesprengt hat, dürfte auch zur Erkenntnis gelangen, dass blindes Feuern alleine langfristig eher zum eigenen Untergang führen wird – der empfindliche Folgen hat.

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Zwischen den Missionen managen wir hier unseren Ironcast.

Den Tod als Beifahrer…

Denn hier kommt das roguelike Element des Spiels zum Tragen. Sollte ein gegnerischer Ironcast oder Dampfpanzer unsere Hitpoints auf 0 reduzieren, heißt es Game Over – bitte versuchen Sie es noch einmal. Ähnlich wie bei FTL versuchen wir dem entgegen zu wirken, indem wir zwischen den Missionen unser Gefährt mit stärkeren Schilden oder besseren Waffensystemen aufrüsten. Denn mit jeder abgeschlossenen Mission, jedem besiegten Gegner, ja sogar jeder gelungenen Kombo-Kette auf dem Puzzleboard verdienen wir Erfahrungspunkte und Schrott, der als Währung dient. Nach jedem Level-Up können wir uns für einen von drei zufällig ausgewählten Skills oder Perks entscheiden und unser sauer verdientes Geld Konstrukteuren in den Rachen schmeißen, auf dass sie unseren Kampfläufer aufrüsten mögen.

Aber die Angst fährt immer mit. Einmal für die falsche Mission entschieden, einen Gegner unterschätzt oder Pech auf dem Puzzleboard gehabt und alles kann vorbei sein. Als Trostpreis dienen dabei besondere Verdienst-Token, die wir investieren können, um neue Irconcast, Piloten oder auch permanente Buffs freizuschalten, sodass der nächste Anlauf ein bisschen einfacher wird.

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Die Missionsauswahl – doch Vorsicht! In 9 Tagen kommt ein dicker Brummer!

…und Kollege Zufall sitzt auf dem Schoß

Der große Einfluss vom Faktor Glück ist dabei frustrierendes und motivierendes Element zugleich. Denn was wir auch unternehmen, der erste Bossgegner wartet nach einer festen Anzahl von Einsätzen auf uns. Wenn wir durch Zufall eine seltene Strahlenwaffe Mark V vom Gegner looten, kommen wir uns in der Anschlussmission vor wie Gott in Frankreich und fiebern dem Endkampf entgegen. Manchmal  hinterlässt der Feind nur Ausrüstung, die wir gefühlt auch bei der Tankstelle um die Ecke im Tausch gegen ein kaputtes Waschbecken hätten erstehen können. Dann stehen wir vor dem Endgegner wie Ryo, falls man ihn bereits auf der ersten CD von Shenmue gezwungen hätte, gegen Lan Di anzutreten und warten auf unsere Vernichtung.

In den ersten Stunden putzt man sich aber immer wieder den Mund ab und probiert es von neuem, wählt Missionen sorgfältiger aus, scannt im Briefing nach Hinweisen auf bessere Ausrüstung, versucht sich aus den Perks und Skills eine größere Strategie zu weben – und wird Erfolg haben!

Fazit

Dafür, dass das Spiel im Kern ein Puzzlespiel ist, dessen Gameplay schon in diversen Mobile Games ähnlich umgesetzt wurde, war ich ziemlich investiert in die Atmosphäre von Ironcast und liebte es meinem Mech dabei zuzusehen, seine Raketen abzufeuern und fieberhaft Notreparaturen durchzuführen. Sogar die Story ist überraschend gut und weckt Interesse im Spieler – bis sie dann ganz plötzlich vorbei ist. Nach dem zweiten Boss endet das Spiel abrupt, um in drei Texttafeln noch hastig die Geschichte hastig zu einem unbefriedigenden Ende zu führen. Es fühlt sich so an, als habe man nur die Hälfte des Scripts spielerisch umgesetzt ist, was wirklich schade ist.

Auf diese Art reichte es für mich „nur“ für etwa 10 Stunden Spielspaß, bevor mich die Motivation verließ, die immer gleichen, wenn auch schön erzählten, Missionen
noch ein weiteres Mal zu spielen. Ein etwas größerer Umfang hätte dem Speil gut getan.

Aber ich möchte das Fazit gar nicht auf einem mol-Akkord beenden und um das Bild der Kontaktanzeige noch einmal zu bemühen: Wir hatten viel Spaß miteinander und eine Zeit lang dachte ich, es könnte etwas Langfristiges werden. Was bleibt ist keine gescheiterte Beziehung, sondern eine äußerst schöne Zeit, die einfach nicht so lange anhielt, wie ich es gerne hätte.

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