Bin ich ein Annoholiker?

Zu meiner persönlichen Schande muss ich gestehen, ich habe den letzten Teil nicht gespielt. Habe mich, als fachmännischer Redakteur, natürlich eingelesen. Durch die Vorgänger weiß ich also was den ambitionierten Anno-Spieler für Stunden an den Bildschirm fesselt. Mit der Schmach lediglich Anno-Teile die in der Vergangenheit spielen gespielt zu haben, widme ich mich der neusten Aufbau-Simulation und bin überrascht. Zukunft funktioniert. Das Interface ist spacig und versprüht Science-Fiction-Flair. Anders als bei den Vorgängern wählt ihr eins von drei vorgefertigten Regionen. Diese bieten unterschiedliche Möglichkeiten und Begrenzungen. Wir starten in der gemäßigten Zone, fühlen uns heimisch und erledigen schnell die ersten Missionen. Siedlungen bauen, Materialien abbauen, neue Gebäude erstellen und schauen das die Firma nicht pleitegeht – ich liebe es ein virtueller Baulöwe zu sein. Das Hauptziel stellt den Ausbau eines überdimensionierten Freefall-Towers dar. Dieser dient als Aufzug zum Mond und ermöglicht uns später den Trabanten zu bevölkern. Doch es fehlen, wie so oft, bestimmte Rohstoffe für neue Entwicklungen. In unserem Fall steigern modische Neuroimplantate die Zufriedenheit, ein extra Metall muss also her.

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Futuristisches Stadtpanorama bei dynamischem Tag-Nacht-Wechsel. © Ubisoft

Brrrrrr…….kalt.

Nach einiger Zeit haben wir die gemäßigte Zone abgegrast und es verschlägt und in die Arktis, praktisch, denn da wächst erst gar kein Gras. Dafür finden wir unseren Rohstoff für die Implantate. Es ist (wahrscheinlich) verflucht kalt und durch die sehr schöne Grafik und dem unglaublichen Detailreichtum, schlottern mir fast die Zähne. Zum Glück spiele ich in einem fortschrittlichen Büro mit einer Heizung, meine Kälte ist also besiegt. In der Arktis ist das nicht ganz so leicht. Fabriken haben Wärmekreise, wenn Ihr also Arbeitersiedlungen baut, solltet Ihr tunlichst darauf achten, dass diese innerhalb der Kreise liegen, sonst bekommen eure Arbeiter Frostbeulen. Wir spielen also Tetris für Fortgeschrittene. Da ich früher schon gekonnt 4 Reihen auf einmal verschwinden lassen konnte, fällt es auch hier nicht schwer die Aufgaben zu lösen. Generell nimmt uns das Spiel permanent an die Hand und hilft uns mit einem sehr transparenten Menü weiter. Wir sehen ständig, was wir optimieren könnten. Optimierung ist ein Stichwort in Anno 2205, denn nun gibt es für die Fabriken zusätzliche Module, die wahlweise die Produktion steigern, Energiekosten senken oder weniger Arbeitskraft benötigt wird, natürlich gibt es auch negative Auswirkungen der einzelnen Module. Die Erweiterungen spürt man allerdings erst später im Spielverlauf, so muss man sich am Anfang leider zurückhalten, da die Module spezielle Ressourcen erfordern. Dennoch funktioniert das neue Modulsystem sehr gut.  

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Euer zweiter Stop verschlägt euch in die Arktis. © Ubisoft

Das….ist….Spaaaaarrttaaaa……ähm Anno.

Auch ich weiß, dass es bei Anno um den Aufbau eines Imperiums geht und dem damit verbundenen Ressourcenmanagement, doch irgendwann habe ich von „schaffe, schaffe Häuslebaue“ genug, widme mich dem actionlastigen Teil und hoffe auf Spannung. Meine Erwartungen werden leider pulverisiert. Zu den 3 Regionen (gemäßigte Zone, Arktis, Mond), welche wir parallel steuern und arbeiten lassen, gibt es 2 „Krisengebiete“. In denen lassen sich Gefechte und Missionen ausführen, allerdings nur zu Wasser. Wir steuern also unsere Boote in Feindesgebiet, zerstören oder hacken irgendwas, sammeln Spezialangriffe ein, wie Atomraketen oder EMP-Impulse, timen diese geschickt und sind ga(eh)nz schnell am Ziel. Zwar hat man die Möglichkeit den Schwierigkeitsgrad zu verändern, allerdings entscheidet über Sieg oder Sieg mit Verlusten nur euer Timing der Spezialwaffen. Nett ist dabei lediglich die Animation, ansonsten ist dieser Punkt eher ermüdend. Generell laufen auch die Nebenmissionen in dem Stil ab: Fahre mit X zu Y und bring die Ware zu Z. Das überbrückt zwar Wartezeiten, ist aber auf Dauer langweilig.

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Schlachten werden in Anno 2205 ausschließlich auf See ausgetragen. © Ubisoft

„Time to say goodbye“.

Diesen Song werden auch viele junge Anno-Spieler noch kennen, leider trifft er auf viele Aspekte zu, die euch bei Anno so begeistert haben und euch zu besagten Annoholikern macht. Es fehlt der Druck durch Gegenspieler. Zwar existieren Computergegner auf dem Bildschirm als konkurrierende Firmenchefs, allerdings nur als grafische Darstellung in einem Stufendiagramm. Sie bauen weder „gegen euch“, noch gibt es irgendwelche Interventionen, die euch das Leben schwer machen. Anno wird dadurch zwar für Einsteiger leichter, für euch verliert es allerdings an Spannung und an Reiz. Spricht man in den Vorgängerteilen den Multiplayer Modus an, hört man von Annospielern den Song „Time of my life“ inbrünstig singen. Was haben wir Stunden, Tage, ja sogar ganze Wochenenden mit fesselnden Partien Anno verbracht. Kurz und schmerzlos? Den Modus gibt’s im neusten Teil vorerst nicht. Ob dieser mit einem Add-On nachgereicht wird, steht noch in den Sternen, gleich neben eurer Mondsiedlung – schade.

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Die „globale Übersichtskarte“. © Ubisoft

Fazit

Das neue Anno macht vieles absolut richtig. Beispielsweise wurde das Feature aus Anno Online übernommen, Gebäude via Drag & Drop zu versetzen, ohne es abreißen zu müssen. Typische Produktionsketten sind deutlich leichter nachzuvollziehen und spielen zudem eine geringe Rolle. Das Augenmerk wurde auf den Bau der Siedlungen gelegt. Die neue Übersichtskarte zeigt den Mond und die Erde mitsamt allen kontrollierten Regionen, das bringt nicht nur einen fantastischen Blick, sondern erlaubt uns alle Areale gleichzeitig zu kontrollieren und zu verwalten. Zum anderen trägt aber auch die grandiose Optik ihren Teil zu Anno 2205 bei. Eine solch verschwenderische Liebe zum Detail kenne ich sonst nur von mir beim Siedlungsbau in Anno. Der sehr atmosphärischen Tag-Nacht-Wechsel und die frei beweglicher Kamera runden das Spielerlebnis ab und garantieren dem Spieler über 50 Stunden solide Unterhaltung – so viel zum lachenden Auge. Jede Medaille hat 2 Seiten, auf der Contra-Seite stehen leider der fehlende Multiplayer und die fehlende Konkurrenz. Ob es nun am reifen Alter der Reihe selbst liegt oder am reifen Alter der Spieler, die seit dem ersten Teil dabei sind, un
sere Herzen hätten die dadurch entstandene Spannung sicherlich ausgehalten! Ein schöner Ansatz ist zwar der Übergang von der Kampagne hin zum Endlos-Spiel, steht man aber einmal an der Spitze, wiederholt sich tatsächlich alles und verliert schnell an Reiz.

Liebe Annoholiker, dennoch hoffe ich, eure Tür steht offen, mit mir habt Ihr ein neues Mitglied, denn Anno verzaubert weiterhin, macht sehr viel Spaß und lässt die Zeit (wie gewohnt) im Flug vergehen.

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