Ein Rollenspiel braucht eine Story.

Schauplatz von Divinity: Original Sin ist, wie in allen vorangegangen Spielen der Serie, die Fantasywelt Rivellon. Die Handlung ist vor den Ereignissen des Serienerstlings Divine Divinity angesetzt. Im Mittelpunkt der Handlung stehen unsere beiden Spielercharaktere. Beide Figuren sind Quelljäger, Mitglieder einer Ordnungstruppe, die gegen die Anwendung verbotener Magie vorgeht. Klingt ein wenig nach Harry Potter und dem Kampf gegen dunkle Zauberei, funktioniert aber tadellos. In der Küstenstadt Cyseal soll das Heldenduo den Mord an einem berühmten Magier untersuchen. Doch der magische Mord entpuppt sich natürlich nur als Einstieg in eine viel größere Bedrohung, die das Ende der Welt bedeuten könnte. Untote, Orks, finstere Okkultisten und andere dunkle Gestalten wollen uns dabei das Leben schwer machen. Zugegeben die Entwickler bedienen sich sämtlicher Klischees, doch genau das erwartet man auch in einem klassischen Rollenspiel.

Konsole an, Disc rein, Held erstellen,…..

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Selbst leere Flaschen sind in Divinity für irgendwas nützlich.

Schon reißt der Rollenspielliebhaber die Augen auf, man darf sich nämlich ganze 2 Helden aus unterschiedlichen Klassen zusammenmixen. Hierbei zeigt sich bereits eine willkommene Abwechslung im Vergleich zu anderen Titel der Branche. Die Klassen sind zwar unterschiedlich betitelt und besitzen unterschiedliche Merkmale, lassen dem Spieler aber jeglichen Freiraum in der späteren Entwicklung, so bringe ich meinem Schwertkämpfer kurzerhand bei, wie er erfolgreich mit Feuerbällen um sich werfen kann. Zur Wahl stehen 4 Spielmodi, einmal eine sehr dialoglastige Option, die klassische Version, die taktische Version mit packenden und schwierigen Kämpfen und der Ehrenmodus. Ehre klingt natürlich gut, nach dem Lesen der kurzen Beschreibung fällt dieser aber vorerst weg. Sterbt Ihr im Ehrenmodus, wird der komplette Spielstand gelöscht, alles ist dann verloren. Dann fallen Euch wahrscheinlich nicht nur die Augen aus dem Kopf, sondern der Elektronikhändler eures Vertrauens freut sich über einen Verkauf eines neuen Controllers. Ich beginne das Spiel folglich klassisch (und) alleine. Die zweite Rolle wird vom Computer übernommen, wobei ich wahlweise jederzeit den Helden wechseln kann.

Wenn Ihr was entdecken wollt, folgt mir einfach.

Vermutlich war der Kleiderschrank, der die Pforte zu Narnia darstellt, eines der großen Vorbilder der Entwickler. Was wir hier vorfinden, lässt die Komplexität und Möglichkeiten der Entdeckung nur erahnen. Abseits der Hauptquests schöpft Divinity sein Potenzial erst richtig aus und dem Spiel wird via Nebenquests echtes Leben eingehaucht. In der riesigen Spielwelt gibt es noch viel mehr zu entdecken. Ob Truhen, Dungeons, Zutaten, Schriftstücke oder noch 10000 andere Gegenstände, es liegt an uns diese zu finden oder wenigstens zu suchen. Wenn wir also was Cooles verpassen, weil wir nicht genau hinschauen oder die „Extra-Meile“ nicht laufen wollen, sind wir selbst schuld. Der Entdeckertrieb erfährt mit dem Öffnen des Inventars leider einen direkten Dämpfer. Irgendwie fühlt man sich wie am Wühltisch beim Sommer-Schluss-Verkauf. Keine Ordnung, unübersichtlich und viel zu schnell viel zu voll. Hier zeigt sich auch eine typische Schwäche von Rollenspielen auf Konsolen, am PC kann man viel schneller ordnen und sich einen Überblick verschaffen. Die restlichen Radial-Menüs sind dagegen sehr gut gelungen und intuitiv. Nach kurzer Gewöhnung läuft die Auswahl der richtigen Punkte schnell und flüssig von der Hand.

Taktiker im Vorteil.

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In den rundenbasierten Kämpfen ist Taktik gefragt.

Die rundenbasierten Kämpfe steuern sich leicht und intuitiv, treiben aber auch erfahrenen Spielern nicht selten Schweißperlen auf die Stirn. Jede Figur kriegt pro Zug eine bestimmte Menge Aktionspunkte, die wir zum Angreifen, Zaubern, oder zum Bewegen nutzen können. Die Rundengefechte sind zwar recht undynamisch, bieten aber viel Platz für taktische Kniffe.Taktikspezialisten kommen durch die schier grenzenlose Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten von verschiedenen Zaubersprüchen, Fähigkeiten und Möglichkeiten der Levelinteraktion, voll auf ihre Kosten. Man sollte sich Gegner, Umgebung und das eigene Inventar vor einem Kampf gründlich anschauen, was mit der frei drehbaren Kamera auch anstandslos möglich ist, denn Gegner sind quasi immer überlegen. Das merkt man leider auch im klassischen Modus schon, dort sind die Gegner teilweise so stark, dass die Frustrationskurve parallel zur Schwierigkeitskurve steigt. Insgesamt sind die Rundengefechte gut an die Controllerbedienung adaptiert und ermöglichen einen guten Einstieg in das Kampfsystem. Trotzdem wirkt es im Gesamten etwas undynamisch im Vergleich zu anderen Titeln.

Lass mich endlich mitspielen.

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Im Koop-Modus bewegen sich die Spieler unabhängig voneinander durch die Spielwelt.

Da das gesamte Game eher auf zwei „echte“ Spieler ausgelegt ist, bildet der Koop-Modus den eigentlichen Clou. Klassischer vertikaler Splitscreen, der zweite Spieler stellt sich schon darauf ein, dem anderen Spieler treu doof, als wäre er an der Leine, zu folgen, doch weit gefehlt. Jeder Spieler kann sich asynchron durch die Spielwelt bewegen. Wenn Spieler 1 noch beim Händler um die Ecke den neusten Stoff inspiziert, kann sich Spieler 2 bereits mit einer Horde Untoter auf dem nächstliegenden Friedhof prügeln. Mit einem kurzen Blick zur anderen Seite findet man sich aber recht schnell wieder und kann gemeinsam das Abenteuer bestreiten. Neben den Kämpfen machen auch die Dialoge um einiges mehr Spaß, denn jeder Spieler kann für sich selbst antworten und beeinflusst somit das Geschehen, die Sympathie und das Wesen der Spielfigur. Die Enhanced Version glänzt zudem mit einer hervorragenden Sprachausgabe, diese wurde nochmals überarbeitet und unzählige Sätze neu eingesprochen. Klingt sehr gut, doch leider brabbeln sämtliche Figuren im Spiel auch unangesprochen ihre Standardsätze vor sich hin, sodass man entweder den Sound auf dem Marktplatz muted, oder bereits dem Wahnsinn so verfallen ist, dass es einem nichts mehr ausmacht.

Fazit

Als alter Action-Enthusiast habe ich mich nicht nur leicht erschlagen gefühlt durch die unfassbar vielen Möglichkeiten, sondern habe auch im ersten Moment die Dynamik und Action vermisst. Der Eindruck wurde auch auf den zweiten Blick nicht besser, aber tatsächlich auf den Dritten. Nicht nur dem Spiel muss man Zeit geben, sondern auch sich selbst. Hat man sich durch die Menüführung gehangelt, die ersten Gegenstände erbeutet und die ersten Runden im Kampf überlebt, wittert man Blut und fuchst sich weiter rein. Frustrierend bleibt allerdings die umständliche Interaktion mit Gegenständen, so muss man immer wieder „angreifen“ auswählen, bis die Kiste wirklich zerstört ist. Insgesamt wurde einiges verbessert. Die Sprachausgabe, das Storyende, die Kameraführung und das leicht kitsc
hige Retro-Leveldesign überzeugen. Ebenso wie die gut durchdachten Radial-Menüs, der wirklich gelungene Koop-Modus mit asynchroner Bewegungsmöglichkeit und die Befriedigung sämtlicher Neugierde etwas zu entdecken, zu craften oder sich taktisch zu beweisen, runden das Spiel ab. Einige Punkte, wie beispielsweise das krude Inventar, das nervige Gelaber der NPC’s, hölzernen Animationen und das undynamische Kämpfen gegen oftmals zu überlegenen Gegner, bieten ein recht hohes Frustrationspotenzial. Fans der Serie und „echte“ Rollenspiel-Liebhaber, mit einer Affinität zu langen Dialogen, welche Story und Hauptfiguren beeinflussen, sind mit diesem Spiel, angelehnt an „die gute alte Zeit“, bestens bedient und sind mit der Enhanced Edition lange an der Konsole beschäftigt.

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