Project Cars ist eine realistische Rennsimulation. Das „Spiel“ ist kein Arcade-Racer und auch keine Halbsimulation, bei denen der Spaß vergleichsweise auf dem Silbertablett serviert wird. Der „Spaß“ wird sich in Project Cars mit Blut, Schweiß und Tränen erkämpft. – In der vielleicht besten Rennsimulation, die zur Zeit auf dem Markt ist.

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Von Anfang an sind alle Strecken, Teile, Modi und Autos samt entsprechender Modifikationen verfügbar. Zu viel stürzt in zu kurzer Zeit auf unerfahrene Spieler ein. Es fehlt an jeglicher Heranführung und Gliederung. Was für einen Anfänger der blanke Horror ist, entpuppt sich allerdings als Schlaraffenland für den Profi. Der hat sich nämlich nicht mit lästigem Freischalten zu bemühen, sondern kann direkt an seine Wagen und Rennstrecken. Dabei ist egal ob GoCart, Luxusrennwagen oder Old-Timer: Project Cars hat sie alle – und sie alle Fahren sich realitätsnah und unterschiedlich.

Realität ist gemein und verzeiht nicht. Anfänger werden die meisten Boliden zunächst als unsteuerbar wahrnehmen und Profis sich über die detailreichen Nuancen von Lenkung bis Getriebe freuen. Die Spielmechanik ist dabei sehr interssant: Es geht um’s Lernen. Wie fahre ich mein Auto? Wie gehe ich mit dieser Kurve um? Welche Reifen eignen sich für welche Strecke? Jedes Auto fährt sich auf jeder Bahn anders. Es dauert etliche Stunden, auch nur eine Kombination zu meistern. Die Belohnung liegt dann nicht darin, neue Teile oder Autos freizuschalten, sondern das Setup zu verfeinern, bessere Zeiten zu fahren und die eigenen Skills zu steigern.

Dabei sollten die komplexen Einstellungsmöglichkeiten nacheinander durchgegangen werden, um ein Gefühl für die verschiedenen Mechaniken zu bekommen. Wer dann einmal weiß, welches Bauteil welchen Effekt zum Fahrverhalten beiträgt, kann mit diesem Wissen die eigentliche Herausforderung angreifen: Die perfekte Konfiguration für die richtige Strecke finden. Hier eine erfolgreiche Entscheidung zu treffen ist eine der Kernmotivationen, die uns durch das Game treibt – vom Fahren einmal ganz abgesehen.

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Hierfür sollte Lenkradpflicht herrschen. Die Steuerung mit dem Pad (PS4) funktioniert nicht feinstufig genug, um ein authentisches Lenkgefühl zu erzeugen. Die Verwendung eines Gaming-Lenkrads schafft da allerdings schnell Abhilfe. Hier noch ein Tipp für Einsteiger, die sich vielleicht doch mit Project Cars auseinandersetzen wollen: Die Fahrhilfen sollten erst einmal alle abgeschaltet werden, um die wirklichen Basics zu lernen.

Project Cars besticht durch seinen Realismus. Vor dem Rennen müssen wir uns aufwärmen, denn die kalten Bremsen greifen schlecht und ein kaltes Differential lässt den Wagen ausbrechen. Der Boxenfunk spuckt echte, hilfreiche Ansagen aus. Wir werden zum Beispiel darauf hingewiesen, dass der Hintermann aufrückt und wir innen bleiben sollen, um die Überholung zu vermeiden. Folgt man diesem Rat nicht, ist man einige Sekunden später einen Rang weiter hinten.

Besonders fällt Project Cars auf, weil es eines der wenigen Rennspiele darstellt, in denen sich auch in der Cockpitperspektive gut fahren lässt. Dabei ist sogar die Egoperspektive anwählbar. Hier wird unsere Sicht noch ein wenig mehr durch den Helm beschränkt, der Motorsound ist dumpfer und die Kopfbewegungen werden von den Kräften beeinflusst, die auf uns wirken. Bei einem Crash werden wir entsprechend durchgeschüttelt. Toll! Wechseln wir mit der Perspektive auf die Fronthaube, hören wir den Motor brüllen. Entsprechend besticht die unterschiedliche Geräuschkulisse auch aus der Verfolgerperspektive, wo sich unsere Vor- und Hintermänner ein bombastisches Soundgefecht liefern.

Ein ebenso deutlicher Sieg für die Rennsimulation ist die verwendete KI. Die sitzt meistens mit sehr viel Erfolg an den Steuern konkurrierender Mitfahrer. Zwar sind die Computerkarren nicht so gut wie beispielsweise die Drivatare aus Forza, deren Fahrstile auf echter Spielerleistung beruhen, liefern aber nichtsdestotrotz ein spannendes Spiel und faire Positionskämpfe ab. Wir haben nicht das Gefühl, vorbeigelassen zu werden. Jeder Platz muss sich erkämpft werden. Dabei haben die computergesteuerten Autos auch ihr eigenes Schadensmodell im Auge und sind darauf bedacht, ihren Wagen zu schützen. In der Simulation gilt für KI wie für Spieler: Ein Crash hat Folgen und bedeutet in der Regel den Rennabbruch.

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Während im Single-Player die KI glänzt, sieht das im Online-Modus mit fleischlichen Mitspielern leider ganz anders aus. Hier sind viele Banausen und Sonntagsfahrer unterwegs. Ob absichtlich oder nicht – oft wird man von Mitspielern abgeschossen und je nach Modus kann das Rennen damit vorbei sein. Lange, ununterbrochene Wettkämpfe kommen deshalb nur selten zu Stande. Den Mehrspielermodus von Project Cars genießt man am besten mit ausgewählten Freunden.

Ein weiteres Manko ist die Organisation des Mehrspielermodus in „Sessions“. Es gibt keine Serverliste mit Matches zur Auswahl. Stattdessen werden wir nach Suchkriterien einer Session zugewiesen. Diese Suchkriterien hätten detaillierter ausfallen können. Auch die Wartezeiten stören etwas. Gelegentliche Abstürze runden das Paket ab. – Kommt allerdings ein Spiel mit Freunden oder gutgewillten Fahrern zu Stande, zeigt sich Project Cars von seiner freundlichen Seite, die auch kompetitiven Spaß ermöglicht.

Die Grafik von Project Cars ist gut, aber nicht überragend. Den Entwicklern war für ihre Simulation verständlicherweise eine hohe und vor allem stabile Framerate wichtiger, als korrektester Schatten. Trotzdem hat auch die Optik ihre Highlights: Das Wettersystem sieht super und vor allem der Nebel filmreif aus. Gelegentlich glitcht die Grafik. Dann verschwinden Räder und Karosserien werden durchsichtig. Diese Vorfälle sind sehr selten, kommen aber vor. Ebenfalls selten sind auch Game Crashes, die aber größtenteils durch Patches behoben werden können.

Abseits der Rennstrecke zeigt Project Cars noch ein paar weitere Schwächen. Die Story organisiert sich durch provisorische E-Mail Texte, die wir zugeschickt bekommen und anstehende Events werden im bewährten Kalendersystem abgehandelt. Die Präsentation wirkt lieblos, passt aber zum durchdringenden Realismus. Der Soundtrack in den Menüs würde mit seiner mystischen Art auch in einen Formel 1-Dungeon passen.

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Fazit

Project Cars ist eine ernstzunehmende Simulation, die Engagement und Einarbeitung des Spielers verlangt. Der Realismus besticht durch alle Facetten des
Spieles hinweg und gibt nach entsprechender Arbeit auch echten Spaß zurück. Erfolge sind in Project Cars durch die herausfordernde Härte wertvoll und belohnend. Dabei sollten nur Spieler zu Project Cars greifen, die sich auch wirklich mit einer Simulation auseinandersetzen wollen und entsprechend viel Zeit in die Rennen stecken möchten. – Project Cars ist damit eine der besten Rennsimulationen auf dem Markt, aber definitiv nichts für Arcade-Racer.

 

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