In „Dragon Quest 11 – Streiter des Schicksals“ schlüpfen wir wie schon in diversen vorangegangenen Spielen in die Rolle eines namenlosen Protagonisten, der zugleich der sogenannte „Lichtbringer“ ist. Was dieser Titel mit sich bringt, das gilt es allerdings erst einmal herauszufinden, denn viele der Bewohner der Welt Erdria, in der Dragon Quest 11 spielt, sind uns aufgrund unserer rätselhaften Herkunft nicht gerade wohlgesonnen.

Innovation Zero

Kaum geboren will uns der König höchstpersönlich schon ans Leder, was in einer wilden Verfolgungsjagd auf unsere Mutter und Schwester mündet. Das Schicksal unserer Familie bleibt ungewiss, denn nach einem heftigen Sturm treiben wir ganz Moses-like mutterseelenallein in einem Weidenkörbchen den Fluss entlang, aus dem uns ein netter, älterer Herr herausfischt. Und so wachsen wir wohl behütet und nicht weniger geliebt bei unserer Stieffamilie in dem kleinen Dorf „Kieslingen“ auf. Bis zu jenem schicksalshaften Geburtstag, an dem wir ins Erwachsenenalter eintreten und eine im Dorf übliche zeremonielle Kletterpartie auf einen nahe gelegenen Berg antreten sollen. Oben angekommen zeigen sich dann erstmals unsere wahren, mysteriösen Kräfte. Wieder zu Hause ist uns unsere Stiefmutter also erst einmal eine ausführliche Erklärung schuldig … Unbeeindruckt davon, dass wir adoptiert und etwas ganz Besonderes sind, beginnt bald schon die Reise ins Ungewisse auf der Suche nach unserer Bestimmung. Dabei schließen sich uns zahlreiche eigensinnige, aber dennoch wohlwollende Recken an, die uns aus unterschiedlichsten Beweggründen begleiten.

An für sich ist die Story wenig innovativ und durchaus vorhersehbar. Die meisten Zwischensequenzen und Storylines haben wir schon zig Mal genau so oder ungefähr in der Form gesehen. Auch manche Witze und sexistische Anspielungen stammen aus einem vorherigen Jahrhundert. Interessant und lebendig wird die Story dennoch, dank die vielen bunten Charaktere im Spiel, die einen angemessenen Ausgleich schaffen.

Runde um Runde 

Auch Kämpfe laufen in Dragon Quest 11 ab wie Rollenspiele der 90er Jahre. Auf der Map tummeln sich jede Menge Monsterchen, die bei Kontakt mit uns in einen separaten Angriffsmodus wechseln. Klassisch rundenbasiert wählen wir dann zwischen Angriffen, Magie oder Inventargegenständen aus um den Gegner niederzuringen. Diebe wie Erik können unsere Widersacher außerdem noch um den ein oder anderen Gegenstand erleichtern. Ab und an erhalten unsere Helden einen Energieschub, der uns dann spezielle, kraftvollere Manöver ausführen lässt. Manche davon werden allein, andere zusammen mit Gruppenmitgliedern getriggert. Während des Kampfes können wir uns außerdem untypisch für das Genre im Kampfbereich bewegen, was uns jedoch keinerlei strategischen Vorteil bringt. Meist stellen die Gegner keine große Herausforderung dar und sind schnell erledigt, nur selten schleicht sich ein zäherer Brocken ein, der uns etwas mehr Taktik abverlangt. Haben wir keine Lust aufs Kämpfen, so können wir auch einfach einen großen Bogen um die Gegner machen.

Als Alternative können unsere Protagonisten hingegen auch automatisch gesteuert werden. Heißt wir müssen dann im Kampf keinen Finger mehr rühren. Hierbei stehen uns verschiedene Modi zur Verfügung, die das Kampfverhalten der Charaktere aggressiv, defensiv, MP-sparend oder eher heilend lenken. Auch eine Mischung, bei der wir beispielsweise nur einen Held selbst steuern, ist möglich.

Haben wir die Feinde bezwungen, winken neben Erfahrungspunkten mal mehr, mal weniger seltene Gegenstände. Diese sollten wir manuell stets in den heldeneigenen Taschen verwahren, da auf die Waffen- und Itemgemeinschaftsbeutel im Kampf nicht zugegriffen werden kann. Nach einem Stufenaufstieg können wir gesammelte Talentpunkte in Skilltrees nutzen, um neue Fertigkeiten freizuschalten. Teils müssen erst kleinere Skills frei geschalten werden, um an rare, bessere heranzukommen, kompliziert ist das System aber bei Weitem nicht.

Ebenfalls sehr Oldschool ist das Speichern von Spielständen. Dies ist nämlich lediglich in Kirchen oder bei Priestern durch die „Beichte“ möglich oder für Religionsverweigerer an den festen Lagerplätzen, an denen wir immer dann verweilen, wenn wir eine Pause vom Kämpfen brauchen. Hier können wir auch die Lebenspunkte der Charaktere wiederherstellen, Zustände heilen und uns mit den Gruppenmitgliedern unterhalten. Auch die Tageszeit lässt sich somit verändern. Nachts erwarten uns andere Monster, die manchmal auch mehr Kampfkraft besitzen. Ab und an ist auch ein Wanderhändler in der Nähe, der uns mit allerlei nützlichen Items versorgt.

Während wir in Shops Ausrüstungsgegenstände gegen Geld erwerben können, steht uns an besagten Lagerplätzen außerdem das Schmieden mittels eigener, tragbarer Schmiede zur Verfügung. Um einen Rüstungsgegenstand oder eine Waffe herzustellen, benötigen wir jedoch erst einmal das richtige Rezept. Diese finden sich Truhen oder lassen sich bei Händlern erwerben. Stellen wir uns bei dem kleinen Minispielchen nicht allzu doof an, erhalten wir dadurch sogar bessere Gegenstände, wie in den Dorfläden.

Oldschool in neuem Gewand

Grafisch übertrifft sich Dragon Quest diesmal selbst. Die wie gewohnt knuddeligen Comic-Charaktere und putzigen Monster, deren Stil man zugegebenermaßen mögen muss, werden in eine überaus imposante, semi-realistische Umwelt platziert, die mit ihren offenen Arealen zur Erkundung anregt. Manche Charaktere erinnern nach wie vor stark an Son-Goku und Co., allerdings zeichnet sich – meiner Meinung nach – auch eine dezente Erweiterung des Charakter-Spektrums ab. Was auffällt: auch die Dragon-Quest Charaktere sind mittlerweile dem westlichen Magerwahn verfallen. Helden – männlich sowie weiblich – sind im Vergleich zu vorangegangenen Spielen mächtig dünn geworden.

Sehr viel Liebe zum Detail steckt aber trotzdem in jedem noch so kleinen Grashalm der riesigen Welt und dürfte wohl schnell die Herzen der Spielerschaft erobern.

Auch der Soundtrack ist einwandfrei gelungen und passt sich wunderbar dem Geschehen an. Lediglich bei der Synchro der Charaktere zeigt das Spiel ein paar Mängel. Der namenlose Held kommt so leider ganz stumm daher, was die Stimmung der Geschichte manchmal flacher hält, als wir gerne hätten. Ist man zudem längere Zeit mit einem Gefährten allein auf Monsterjagd, so können einem die drei sich immer wieder wiederholenden Siegesfloskeln nach siegreichem Kampf durchaus mächtig auf den Zeiger gehen. Auch ansonsten sind die Bewohner der Welt in Gesprächen meist lautlos, was im Jahr 2018 nun mal mächtig überholt ist. Nur in Zwischensequenzen zeigen sich die englischen Synchronsprecher von ihrer besten Seite. Diese Synchros sind allesamt gut gelungen und klingen sowohl authentisch, als auch harmonisch. Wäre da nicht das Namensproblem … Anscheinend hat den deutschen Übersetzern die Namensgebung der Gamedesigner Mal so überhaupt nicht gefallen. Viele Charaktere erhalten deshalb einen anderen Namen, was teilweise für reichlich Verwirrung und ungewollt seltsame Szenen in Zwischensequenzen sorgt. Vor den wilden Änderungen sind nämlich weder Protagonisten noch Nebencharaktere sicher. Und so wird der englische Flint schon mal zum deutschen Häggit, oder die englische „Gemma“ zur deutschen Sandra.

Fazit:

Dragon Quest 11 bietet eine stereotype Rollenspielgeschichte, die aus den neunziger Jahren stammen könnte. Aber genau das ist auch gut so, wie es ist. Gegen Oldschool-Rollenspielcharm ist ja erst mal nix einzuwenden. Nicht jedes Spiel muss vor neuen Ideen strotzen. Viele Spieler sind dankbar dafür, endlich mal wieder ein „echtes“ Rollenspiel wie in alten Zeiten spielen zu können. Als alter Anhänger der Final-Fantasy-Reihe blutet mir beispielsweise seit den Echtzeitkämpfen regelrecht das Herz und die Titel verstauben kaum angespielt reihenweise in der Ecke. Nichts sehnlicher würde ich mir zurückwünschen, als das rundenbasierte Kampfsystem – zerbrochene Bildschirme inklusive. Deshalb sollte man die Spieldesigner nicht mit harter Kritik strafen, sondern im Gegensatz auch gehörig dafür loben, dass sie sich trauen im Jahr 2018 auf bewährtes Spieldesign zurückzugreifen.

Die Charaktere der Spielwelt sind durch die Bank sympathisch und sorgen für ein stets humorvolles, aber auch emotionales Spielerlebnis. (Wenn man von dem namenlosen, flach gehaltene Protagonisten mal absieht). Der Stil, sowie die ganze Fantasy-Welt ist bezaubernd und die Musik stimmig. Auch die englische Synchronisation, auf die Japan übrigens zunächst verzichten musste, ist sehr gut gelungen. Schön wäre noch gewesen, wenn auch außerhalb der Zwischensequenzen ein paar Dialoge vertont gewesen wären. Oder, wenn die Originalnamen in jeder Sprache erhalten geblieben wären … Aber vielleicht ja nächstes Mal.

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