Gefühlt kein Monat vergeht ohne ein neues Zombiespiel, und Dying Light, einer der ersten großen Triple A-Releases diesen Jahres, tritt an, um dieser Faustregel Ehre zu erweisen. Entwickler Techland sollte sich in diesem Genre zu Hause fühlen, schließlich sind sie vor allem für ihr Dead Island-Franchise bekannt. Dying Light ist allerdings kein direkter Ableger der Serie und die Frage ist: Kann Techland den beliebten Hirnfressern auch in einer anderen Ip das nötige Etwas verleihen?

 

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Gewöhnlicher Held in ungewohnter Umgebung

Die Geschichte fängt ziemlich generisch an: In Zeiten eines Virusausbruchs, der den Großteil der Bevölkerung in – ihr habt es geahnt – Zombies verwandelt, spielt ihr Agent Crane vom Global Relief Effort (kurz GRE), quasi eine Wohltätigkeitsorganisation mit CIA-Abteilung, und habt eine Mission. Ein abtrünniger Agent hat nämlich ein wichtiges Dokument mitgehen lassen, in dem das Rezept für ein Heilmittel niedergeschrieben ist. Der Haken ist allerdings, dass die beschriebene Mixtur mehr Schaden anrichtet als hilft und dazu führen könnte, dass die sowieso schon geringe Anzahl an Überlebenden noch weiter dezimiert wird. Crane soll nun den Übeltäter stellen und die Akte wieder zurückbringen. Doch man muss kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass nicht alles glatt läuft und schon bald findet sich unser Geheimagent in einer verzwickten Lage zwischen den Fronten der Überlebenden, der Feinde und der Zombies wieder.

Zwar wirkt der Plot in seiner Prämisse als hätte man die Story eines James Bond-Films in die Zombie-Apokalypse verlegt, und der Protagonist könnte auch nicht uninteressanter sein, aber wenigstens ist das Setting gelungen. Denn die fiktive Stadt Harran in einem nicht weiter spezifizierten zweite Welt-Land bietet einiges an Flair und entfaltet sich als interessanter Schauplatz für die Handlung, die zwar blass wirkt, aber immerhin als zufrieden stellende Kontextualisierung dient. Die Charaktere sind alle aus der Selbstbedienungstheke für faule Schreiberlinge geklaut, aber immerhin dank kompetent konstruierter Dialoge nicht völlig langweilig und die Inszenierung auf technisch hohem Niveau hilft ebenfalls das Interesse zu halten. Einen Oscar für bestes Drehbuch bekommt Dying Light jedoch nicht.

 

 

Man nehme: Ein bisschen Kletterei, ein bisschen Crafting…

Muss es auch nicht, denn der Titel wird hauptsächlich vom Gameplay getragen, was mehr oder weniger aus einer Best of-Liste der beliebtesten Mechaniken im Triple A-Spielebereich der letzten Jahre besteht. Eine offene Welt gespickt mit Nebenaktivitäten, das Looten von Verbrauchsgütern, um sich nützliche Gegenstände zu craften und ein Progressionsmodell mit Levels und freischaltbaren Fähigkeiten gehören alles zum Repertoire von Dying Light. Man kann angesichts dessen zwar die Nase über fehlende Originalität rümpfen, aber letztendlich sind diese Mechaniken nicht ohne Grund in jedem zweiten Spiel enthalten und fügen sich zum Glück dankbar in das Gesamtkonzept des Spiels ein. Erfahrene Spieler werden aber merken, dass hier viel Selbstbedienung bei anderen Triple A-Cousins stattgefunden hat und manchen wird diese Wiederverwertung durchaus sauer aufstoßen.

 

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Aber es ist ja nicht so, als hätte der Titel gar nichts Eigenes zu bieten. Die Fortbewegung durch Parkour in Ego-Perspektive ist zum Beispiel in dieser Form bisher nur in Mirror’s Edge dagewesen und auch wenn Dying Light gerade am Anfang eurer Kletterkarriere nicht ganz diese Komplexität und Flüssigkeit erreicht, kommt es doch nah genug dran. So wird allein schon die Fortbewegung durch Harran ein spaßiges Gameplay-Element und lässt selten Langeweile aufkommen, da die Downtime zwischen Missionen so weniger ins Gewicht fällt.

Außerdem ist der Nahkampf mit den Zombies ein starker Pluspunkt, denn die bekommen im Dead Island-Stil mit allem Möglichen die Hucke voll, vorzugsweise auch mit zweckentfremdeter Klempnerausrüstung. Und dank flüssigster Animationen und einer einschlagenden Kinetik fühlt sich das Kampfsystem nicht nur angenehm reaktionsschnell an, sondern gibt dem Spiel auch ein Körpergefühl wie es nur in wenigen Ego-perspektivischen Spielen geboten wird. Viel zu häufig spielt man heutzutage gefühlte Schwebekopf-Soldaten, aber nicht so in Dying Light.

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Kämpfen ist übrigens nicht immer die beste Option, vor allem nicht wenn die Nacht eingebrochen ist. Dann kommen nämlich besonders starke Zombies aus ihren Löchern, die euch auch gerne mal so lange verfolgen bis sie euer kostbares Gehirn kosten dürfen. Flucht ist dann tatsächlich die einzige Option und es ist erstaunlich wie fast schon das Gefühl eines Horror-Spiels aufkommt und wie sehr sich dies vom Spiel bei Tage unterscheidet. Wenn ihr nach Sonnenuntergang euer Safehouse verlasst, werdet ihr für eure Mühen übrigens auch mit Extra-Erfahrungspunkten belohnt.

 

Licht, Schatten und alles dazwischen

Technisch lässt das Spiel sein Budget gerne raushängen und PC-Besitzer dürfen zeigen, was sie unter der Haube haben. Neben den hohen Produktionswerten überzeugt vor allem die Lichtstimmung. Nicht nur gibt es einen der schönsten Tag- und Nachtwechsel, auch UV-Licht, Lagerfeuer und Scheinwerfer machen einiges her, gerade nach Einbruch der Dunkelheit.

 

Fazit

Dying Light macht vieles richtig und bietet mehr als nur kompetentes Gameplay in einer interessanten Welt mit bekanntem Setting. Originalität abseits vom sehr gelungenen Tag- und Nachtwechsel ist rar gesät, wird aber durch das reibungslose Zusammenspiel aller Mechaniken gekonnt überspielt. Ob Dying Light mehr als die Summe seiner Teile ist, wage ich zu bezweifeln, aber in diesem Fall sind die Teile an sich so gut abgemischt und erfüllen ihre Aufgabe so punktgenau, dass „mehr“ dieses Mal einfach nicht nötig ist.

 

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