Fragwürdige Entscheidungen

Nachdem der ukrainische Entwickler Frogware im Herbst 2014 mit seinem mittlerweile elften Sherlock Holmes ein solides Abenteuer veröffentlichte, waren die Erwartungen für „The Devil’s Daughter“ hoch. Doch offensichtlich wurden genau die falschen Schlüsse und Lektionen gezogen und so stehen wir auf einmal vor einem Rätsel-Spiel, das vor Quick Time Events nur so strotzt und anstatt kniffligen Knobeleien auf möglichst viel Action setzt. Das bedeutet nicht, dass der neueste Teil durchweg enttäuscht, auch „The Devil’s Daughter“ hat gute Seiten.

Die Story besticht durch die typischen Elemente eines Sherlock Holmes: Wir befinden uns im viktorianischen London und lösen mithilfe unserer fast schon übersinnlichen Intelligenz schwierige Fälle. Um die, meist grausamen, Verbrechen aufzudecken, müssen wir den verschiedensten Hinweisen nachgehen, Personen befragen und gleichzeitig ihre Körpersprache, Kleidung und Co analysieren, Rätsel lösen und schlau kombinieren. Neben diesen drei Hauptfällen gibt es wie in „Das Testament des Sherlock Holmes auch eine Rahmenhandlung, die leider nicht wirklich mit emotionaler Tiefe überzeugen kann. Inhalt der Geschichte ist die Beziehung zwischen Holmes und seiner Adoptivtochter Kate, die auch schon in einem vorherigen Teil der Reihe vorkam. Das Verhältnis der beiden ist sehr schlecht und die Tatsache, dass Holmes ihr verschweigt, dass der Bösewicht Moriarty ihr eigentlicher Vater ist, macht die Sache nicht besser. Zu allem Überfluss bekommen die beiden eine neue Nachbarin, die kurioserweise über Kate’s Vergangenheit Bescheid weiß.

Die enttäuschende deutsche Synchronisation samt der Dialoge unterstreichen die eher mittelmäßige Story nur – in Gesprächen gibt es zwar Antwort-Optionen, die aber keinerlei Auswirkungen auf den Handlungs- und Dialogverlauf haben. 

Schlechte Angewohnheiten

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Die Schauplätze sind größer geworden

Die Schauplätze haben sich im Gegensatz zu vorherigen Teilen definitiv vergrößert, können aber nicht mit der Variation von beispielsweise „Crimes and Punishments“ mithalten. „The Devil’s Daughter“ spielt vor allem in Armen-Vierteln, kleinen Straßen und Kneipen, die sich generell nicht sehr stark voneinander unterscheiden. 

Enttäuschenderweise gibt es auch einige negative Worte über das Gameplay zu verlieren. Denn plötzlich strotzt Sherlock Holmes nur so vor Quick Time Event, anstatt sich mit guten Rätseln hervorzuheben. Egal wo wir sind und was wir machen – so gut wie alles wird durch das Knöpfchendrücken im richtigen Augenblick entschieden. Köpfchen benutzen? Fehlanzeige. In diesem Teil mutiert Holmes plötzlich zum Helden mit den Mega-Reflexen. So gewinnen wir diverse Barschlägereien nur durch Bullet-Time-Sequenzen, die man sonst vor allem aus Spielen der Entwickler von Telltale kennt. 

Wenn wir dann doch mal rätseln, macht das Spiel durchaus viel Spaß. In Gesprächen müssen wir Gegebenheiten richtig interpretieren – der Junge hat gerötete Augen, hat er geweint oder ist er einfach nur erkältet? Hat seine Büchersammlung etwas mit dem Verschwinden seines Vaters zu tun? Machenw ir etwas falsch, ist es unwiderruflich geschehen. Die Entscheidung kann nicht mehr zurückgenommen werden. Sind wir uns sicher, dass wir den Täter gefunden haben, liegt es ganz bei uns wer hinter Gittern landet – die Fälle haben nämlich verschiedene Enden. Gerade diese Elemente machen ein Adventure-Spiel ala Sherlock Holmes doch aus – unverständlich wieso Frogwares eben diese Inhalte so stark zurückschraubt. 

(K)ein Lichtblick?

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Grafisch kann The Devil’s Daughter durchaus überzeugen

Für ein Adventure sieht das Spiel wirklich gut aus, auch wenn wir beim Testen auf der Xbox One mit verschiedenen technischen Schwierigkeiten, wie plötzliche FPS-Drops und Glitches, zu kämpfen hatten. Die Animationen wirkten oftmals leider sehr komisch und es kam mehr als einmal vor, dass wir in einer Hauswand schlichtweg stecken blieben. Ein weiteres riesiges Manko an „The Devil’s Daughter“ sind die Ladezeiten. Nachdem uns auffiel, dass man mit stolzen Zeiten zu rechnen hat, stoppten wir die Zeit: Ganze 40 Sekunden dauerte ein Areal-Wechsel. Da muss man sich schon wundern. 

Fazit

Eigentlich hatte ich mit einem spannenden Nachfolger gerechnet, der mich für mehrere Stunden ganz in seinen Bann zieht. Leider ist genau das Gegenteil eingetreten – anstatt meine Stirn durch zu viel ausgiebiges Nachdenken zu runzeln, war sie nur durch die vielen Fehler und fragwürdigen Designentscheidungen beansprucht. Die Grafik finde ich definitiv gut, aber was interessiert mich das Aussehen, wenn sonst kaum was dahintersteckt? Während ich das Review schreibe, frage ich mich wirklich, wieso man nicht bei den Attributen geblieben ist, die Sherlock Holmes zu einer interessanten Spiele-Reihe gemacht hat. Vielleicht ein neuer Weg um bessere Verkäufe zu generieren, da die in der Vergangenheit ja nicht so gut daher kamen? Was immer es ist, ich hoffe, dass der nächste Teil wieder mit interessanten Szenarien, einer schlüssigen Story und den fast kompletten Wegfall der Quick Time Events überzeugen kann. Wer über die genannten Fehler hinwegsehen kann bzw. ein expliziter Genre-Fan ist, wird auf jeden Fall trotzdem seinen Spaß mit Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter haben.

 

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