Shining Resonance: Refrain – Nur für Genre-Liebhaber

Anders als Shining Force ist Shining Resonance: Refrain kein Strategiespiel sondern ein Action-RPG. Das bedeutet jedoch nicht, dass ihr nicht trotzdem viel Geduld mitbringen solltet. Zwar existieren auch Zwischensequenzen, doch ein Gros des Storytellings läuft in Standbildern ab, vor dem sich zwei Charaktermodelle unterhalten. Wenn in diesen Gesprächen Action geschieht, wird dies über Soundeffekte dargestellt. Wer in Sachen Games japanophil unterwegs ist, kennt dieses Stilmittel aus zahllosen Visual Novels. Wer dagegen einen japanophoben Spielegeschmack hat, dem sag ich das, was Lieutenant Frank Drebbin in Die Nackte Kanone einer Bande Schaulustiger bei der Explosion eines Feuerwerklagers sagte: „Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen!“. Doch dazu später mehr.

Dialoge werdet ihr sehr, sehr häufig hören. Das wirkt auf der einen Seite ungelenk, auf der anderen Seite, muss man zugeben, dass die Synchronisierungsarbeit quantitativ eine ziemliche Leistung ist. Denn die Dialoge sind komplett vertont und meistens auf einem akzeptablen bis gutem Niveau. Generell haben amerikanische Sprecher das Problem, dass man die Emotionen und den Pathos des japanischen Originals kaum zwischen den Kulturen übertragen kann, so auch hier. Eine deutsche Lokalisation gibt es leider nicht.

Release the beast

Die Handlung von Shining Resonance: Refrain wirkt typisch Japano-RPG: Zwei Königreiche sind im Krieg. Das größere von beiden, nennen wir es spaßeshalber das Böse Imperium handelt moralisch verwerflich, findet Menschenversuche dufte, hat böse Drachen am Start und bedroht das kleinere Königreich. Das wird allerdings von vollbusigen Elfen unterstützt, was auch nicht schlecht ist. Außerdem gelingt es ihnen den Protagonisten Yuma aus den Klauen des Imperiums zu befreien, der eine Inkarnation des Shining Dragons – des mächtigsten Drachens – zu sein scheint.

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Yumas Drachengestalt findet auch in den Kämpfen ihren Platz. Da Yuma die enormen Kräfte des Drachens nicht kontrollieren kann, benutzt er nur einen Bruchteil seiner Stärke. Je stärker Yuma wird, desto mehr Kraft und Fähigkeiten des Shining Dragons kann er nutzen. Reizt er die Drachengestalt zu sehr aus, kann er die Kontrolle verlieren.

Was aus Shining Resonance: Refrain ein Action-RPG macht ist das Echtzeit-Kampfsystem (Duh.). Begegnungen mit Monstern finden in keinem seperaten Bildschirm statt, sondern passieren aus dem Laufen heraus. Ihr kontrolliert immer einen Charakter eurer vierköpfigen Party und schnetzelt drauflos, bis euch auffällt, dass der grüne Kreis um das Modell die Ausdauerleiste darstellt. Wie immer lautet die Rechnung: Keine Ausdauer = keine Schläge. Hinzu kommen jedoch noch charakterspezifische Magien und eine Break-Attacke. Entfesseln wir diese wenn der Gegner sich gerade verwundbar zeigt, beispielsweise während er einen Zauber wirkt, bringen wir ihn außer Balance und er wird besonders anfällig für unsere Angriffe.

Ohne zu tief in die Story einzutauchen, kann man verraten, dass unsere Partymitglieder zur Klasse der Dragoneers gehören. Mit ihren Hybriden aus Waffen und Instrumenten können sie verschiedene Buffs in Liederform aktivieren, die mit dem drachenhaften Protagonisten resonieren und so das Schlachtenglück – sowie die Musik in den Kämpfen – dramatisch ändern können.

Ungelenk bis frickelig

Kurios ist, dass die eigentliche Tiefe des Kampfsystems außerhalb der eigentlichen Konfrontationen liegt. Die Waffen der Dragoneers können verschieden gestimmt werden, um verschiedene Eigenschaften wie einen Elementarangriff auszulösen. Zudem gibt es noch diverse Orbs, die in Sockel der Waffen eingefügt werden können und weitere Buffs gewähren. Und als ob das noch nicht genügend Buffs wären, gibt es weitere Vorteile, die man über die Beziehungen zwischen den Charakteren ausspielen kann. So können wir auf einem Bildschirm, der an die Teamchemie aus Sportspielen erinnert, verschiedene Charaktereigenschaften der jeweiligen Partymitglieder betonen. Je nach Auswahl verändert sich so die Beziehung zwischen den Charakteren. Dadurch bekommt Shning Resonance: Refrain einen kleinen Dating-Sim Anstrich. Denn um die unterschiedlichen Eigenschaften unserer, zufälligerweise attraktiven, Gefährtinnen herauszufinden, müssen wir uns intensiv mit ihnen befassen und Gespräche bei Mondschein führen.

Kirika und Yuma plaudern im Mondschein – muss Liebe schön sein

Diese vielen kleinen Variablen (die nicht gerade ausgiebig erklärt werden) führen dazu, dass das eigentlich simpel wirkende Kampfsystem doch mehr zu bieten hat, als man anfänglich glaubt und frickelig wird. In den ersten Stunden geht deswegen die Übersicht verloren und Konfrontationen wirken stumpf und schwer. Es bedarf Zeit, bis man sich in die Feinheiten reingefuchst hat. Und bis dahin wird der ein oder andere Spieler die Notwendigkeit verspüren zu grinden, um die Spitzen im Schwierigkeitsgrad überwinden zu können. Meine persönliche Erfahrung kippte irgendwann, als ich mich fast gänzlich auf den Shining Dragon verließ und die Heilung den Gespielinnen überließ, da ich dies als am Einfachsten empfand. Items werden verwendet, indem man während des Kampfes ins Menü geht. Die KI ist leider auch nicht das Gelbe vom Ei. :zweifelndes Katzen-Emoji:

An dieser Stelle mag es vielleicht dem Leser missfallen, dass ich von „attraktiven Gefährtinnen“ und „Gespielinnen“ rede. Hoffe ich jedenfalls, denn mir missfällt das auch. Leider ist Shining Resonance: Refrain aber sehr geprägt auf die klassische Anime Rollenverteilung mit einem Hahn im Korb und einem Rudel von Frauen, die um seine Aufmerksamkeit buhlen. Die Option, dass alle Gefährtinnen auch im Bikini herumlaufen und kämpfen können, hilft nicht dabei, diesen Eindruck zu korrigieren. Und es half mir auch nicht dabei, die Charaktere ernst zu nehmen.

Shining Resonance: Refrain ist kein Epos. Wer riesige Welten erwartet, kann nur enttäuscht werden. Es gibt eine größere Stadt und mehrere kleinere Areale und Dungeons, die häufig wiederverwertet werden. Ihr gewöhnt euch also lieber an das Grasland und die Höhle aus dem ersten Fetch-Quest. Ihr werdet sie in den kommenden 30 Stunden noch häufiger sehen. Und selbst die größere Stadt ist größtenteils unbelebt. Funktional gesehen dient sie als Hub, in dem man sich Nebenquests abholen und diverse Shops besuchen kann.Möchtet ihr das Spiel noch ein zweites Mal angehen, kommt der Refrain-Modus zum Tragen. Hier spielt ihr im Prinzip das gleiche Spiel, nur sind von Beginn an zwei der „bösen“ Charaktere spielbar, was in der Handlung in den ersten Stunden überhaupt keinen Sinn macht und deswegen erst bei einem hypothetischen zweiten Spieldurchgang gewählt werden sollte.

Fazit:

Nun habe ich auf 1000 Wörtern kaum ein gutes Haar an Shining Resonance: Refrain gelassen. Wahrscheinlich weil die Marke „Shining“ in mir immer noch viel Gutes auslöst. Objektiv gesehen ist der Titel ein durchschnittliches Action-RPG und ich stehe ihm ambivalent gegenüber. Mich nerven die immer gleichen Areale, das krude Storytelling, die Charakter-Konstellation als Harem und häufig auch die Kämpfe. Andererseits fühlt sich Shining Resonance: Refrain auch angenehm vertraut an. Wie ein Rollenspiel aus der 16Bit-Ära welches man fast vergessen hat und wenn man lang genug am Ball bleibt, spürt man den Charme des Spiels. Vielleicht mögt ihr sogar zur Abwechslung mal, dass es kein 100 Stunden RPG ist, in dem ihr eine riesige Welt bereisen müsst. Wenn ihr mit Anime-Stil und dem japanischen Ansatz der Spielemechanik etwas anfangen könnt, schaut gerne mal rein. Vielleicht werdet ihr positiv überrascht. Wer mit diesen Elementen nichts anfangen kann, wird vermutlich nur einen bauchigen Kessel voller Nippon-Klischees sehen und keinen Spaß haben. Ich bin irgendwo dazwischen.

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