Die Hölle ist ein so faszinierendes Thema, dass manche Menschen ihr Leben damit verbringen vor ihr zu warnen und zu spekulieren, was jemanden im Fegefeuer erwartet. Man spekuliert, fürchtet und ekelt sich, verzweifelt und hofft, dass man nie dorthin muss. Die Hölle ist so grauenhaft, dass schon der Gedanke an sie verstört. Insofern portraitiert Agony die Hölle zutreffend, denn nach meinem Test will ich möglichst viel Distanz zwischen mich und dem Spiel bringen.

Wo fange ich an? Vielleicht mit einem Disclaimer: Agony ist weit davon entfernt, jugendfreie Inhalte zu zeigen und sollte von niemandem unter 18 gespielt werden. Qualitativ sollte es auch von niemandem über 18 gespielt werden.

Ansonsten halte ich es wie in einer Therapiestunde und fange bei mir selber an. Das Konzept Hölle finde ich irre spannend. Ich verstehe nicht ganz, warum der uns liebende, allmächtige Gott findet, dass sie eine gute Idee ist. Aber abgesehen davon: Faszinierend. Wie Dr. Weir im kommerziell floppigen Film Event Horizon sinngemäß sagte: Eine Dimension des Chaos, des reinen Bösen und der grenzenlosen Gewalt. Kurz und gut: Das ideale Setting für ein Videospiel aus dem Genre Horror. Aber, um Event Horizon ein weiteres Mal zu zitieren: „Hölle ist nur ein Wort. Die Realität ist viel, viel schlimmer.“

Daumen hoch für Art Design…

Um gleich mal das Positive aus dem Weg zu schaffen: Das Art Design von Agony ist der mit Abstand stärkste Part des Spiels. Surreale Architektur, die eine bizarre Räumlichkeit aufspannt. Herausragend interessante Designobjekte wie zum Beispiel in einem Korridor freischwingende Unterkiefer, pulsierende Schädel und so weiter und so fort. Irgendwo im Level wird geschrien, verstümmelte Genitalien zu Ihrer linken, blutige Orgien zu Ihrer rechten. Hie und da gibt es verstreute Notizen, die kleine Geschichten erzählen, die erwartungsgemäß nie mit einem Happy End und tanzenden Welpen enden. Tatsächlich würde ich sagen: Wäre Agony ein Walking Simulator in diesem Setting und diesen Storys gewesen, wäre es das bessere Spiel. Denn die verkümmerte Stealth-, Action- und Fähigkeitssysteme machen das Spiel leider eher schlechter als besser.

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..Daumenschrauben für alles Andere

Dass Art Design nicht gleichzusetzen ist mit Level Design wird am Beispiel Agony wunderbar illustriert. Denn noch innerhalb der ersten halben Stunde werden wir in ein Labyrinth gesteckt. Und dabei reicht es nicht, nur den Ausweg zu finden. Wir müssen außerdem noch darin verstreute Körperteile finden. Machen wir das nicht, sehen wir zwar wo es rausgeht, müssen aber zurück ins Labyrinth um noch irgendwo einen Fuß zu organisieren. Wer zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den Optionen das Gamma auf Anschlag aufgedreht hat, tut das spätestens jetzt. Denn im Anschluss wartet ein weiteres Labyrinth auf uns. Und die Schwärze des Bösen und das Rot von sündigem Fleisch sind nur in begrenzter Anzahl neu kombinierbar. Oder in anderen Worten: Alles sieht gleich aus. Nicht großartig zur Orientierung, vor allem wenn man eben dauernd Sammelitems finden muss. Clevere Rätsel gibt es nicht zu entdecken. Meistens müssen wir versteckte Runen finden und nachzeichnen. Manchmal, und da kommen wir wieder zu einer guten Idee des Spiels, müssen wir jedoch auch  absichtlich sterben, damit unsere Seele ihren aktuellen Körper verlässt. Wenn wir uns beeilen. können wir einen in der Nähe befindlichen Körper besetzen und überwinden so Hindernisse.

Außerdem hinderlich bei der höllischen Schnitzeljagd: Die Steuerung. In unserer „menschlichen“ Form sind wir äußerst langsam unterwegs. Schlimmer noch: Wir müssen außerdem häufig schleichen, was uns noch langsamer und leider keinen Spaß macht. Wir sind komplett wehrlos und in späteren Level, spawnen Dämonen auch gerne mal direkt vor uns, hinter uns, oder einmal sogar unter uns. Kombiniert mit der Tatsache, dass unser Avatar gerne mal an Ecken und Fusseln hängen bleibt, ist das keine tolle Ausgangslage. Leider gibt es später sogar Sprungpassagen, die entsprechend frustig sein können. Und wo wir beim Thema Frust sind: Agony wird, so viel muss man den Entwicklern zugutehalten, weiterhin gepatched. Dennoch gab es zum Testzeitpunkt zahlreiche Bugs, die uns das Leben (nach dem Tod) noch weiter erschwerten. Und da kommen wir zurück zu der grundsätzlich guten Idee der Seelenwanderung. Es ist uns leider mehrfach passiert, dass wir uns in Seelenform nicht bewegen konnten und deswegen neu laden mussten. Oder hinter einem Levelelement festhingen. An anderer Stelle müssen wir einen Dämonen in einen Abgrund schubsen, dessen Wahrnehmungsfähigkeiten willkürlich schwankte und deswegen ebenfalls zum neu laden zwangen.

Wehrlos müssen wir tranchieren lassen..wenn wir nicht aufpassen!

Eine Story gibt es übrigens auch. Wir sind eine verlorene Seele und haben keine Erinnerung mehr an unser irdisches Leben. Andere Seelen scheinen uns jedoch zu erkennen und lassen durchblicken, dass wir auf Erden nicht gerade  ein Gutmensch waren. Wir wissen nur: Wir wollen raus und wer Freiheit will, muss die Rote Göttin finden. Das ist schon ein durchaus interessanter Ansatz. Die Story bleibt aber leider Vieles schuldig und die Mono- und Dialoge, die es dann doch gibt werden von bemerkenswert schlechten Voice Actors misshandelt, sodass sie eher lächerlich wirken.

Abgerundet wird der Cocktail durch eine technische Umsetzung die aus der Hölle kommt. Treppchenbildung, Gekröse auf dem Bildschirm, Kantenflimmern unruhiges Geriesel und schlechte Beleuchtung sind Probleme auf jeder Konsole. Das Ruckeln ist schon auf der PS4 Pro schlimm, die normale PS4 verringert die Framerate auf nervtötend und die Xbox One Version sieht so schlecht aus und läuft so hundsmiserabel, dass ich euch einladen möchte, auf YouTube nach bewegten Bildern zu suchen. Wow.

Fazit

Klar versteht man als Spieler, was der Ansatz hinter Agony ist. Es gibt ja zahlreiche Horrorspiele, die darauf setzen, dass man nicht kämpfen, sondern sich nur verstecken kann. Das Problem ist: Ein Spiel so zu programmieren, dass Kämpfen und Schießen Spaß macht, ist verhältnismäßig leicht. Ein Spiel zu erschaffen, in dem es Spaß macht Herumzuirren, sich zu verstecken und wegzulaufen ist richtig, richtig schwer. Und daran scheitert Agony. Die Spielidee und das Setting sind gut. Gameplay und technische Umsetzung leider richtig mies. Nur absolute Fans der Hölle mit Hang zum Masochismus und Gleichgültigkeit ästhetischer Spieleprogrammierung gegenüber, sollten mal hineinschauen.

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